Richard Dubugnon

Klavieriana for piano and orchestra/Chamber Symphonies Nos 1 & 2

Noriko Ogawa (Klavier), Musikkollegium Winterthur, Ltg. Thomas Zehetmair

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bis Records BIS-2229
erschienen in: das Orchester 10/2021 , Seite 79

Er gilt als der international meistaufgeführte lebende Komponist der Schweiz: Richard Dubugnon, geboren 1968 in Lausanne. Diese neue SACD bringt drei seiner Orchesterwerke mit nur zweifacher Bläserbesetzung und wenig Schlagwerk. Der Reigen beginnt mit seiner einsätzigen Kammersymphonie Nr. 1 op. 63 von 2013. Sie steht den entsprechenden Werken der von Dubugnon sehr geschätzten Wiener Meister Arnold Schönberg oder Franz Schreker nahe, vor allem Schönbergs Aufstieg in Quarten ist nicht zu überhören.
„Jedes Instrumentenpult kommt zur Geltung und wird zu extremer Virtuosität getrieben“, erklärt der Komponist im Beiheft und fährt fort: „Englischhorn und Violoncello haben ausdrucksstarke Soli, ebenso die Solo-Violine, die in der Mitte des Werks eine Kadenz spielt. Der Grundcharakter ist spannungsvoll und brillant, doch gibt es auch ruhigere Passagen, in denen eine gelassene, besinnliche Stimmung vorherrscht und Akkorde erklingen, die an Olivier Messiaen denken lassen.“
Das mit gut 26 Minuten längste Werk der Silberscheibe sind die dreisätzigen Klavieriana für Klavier, Orchester und obligate Celesta op. 70 (2015). Der Titel ist eine launige Anspielung auf Robert Schumanns Klavierzyklus Kreisleriana. Ein zweites Tasteninstrument, eben die Celesta, fungiert in dem neuen Werk als geheimnisvoller Spiegel des Klaviers, als eine Art „Geistersolist“.
Heimlicher Höhepunkt ist dann Dubugnons viersätzige Kammersymphonie Nr. 2 op. 77, entstanden während seiner Winterthurer Residency in der Saison 2016/17. Inspiriert wurde sie durch eine historische Glasmalerei im Hauptsitz des 1629 gegründeten Musikkollegiums, welche die 16 Familienwappen der ersten Mitglieder sowie in der Mitte des Bildes den Harfe spielenden König David zeigt (siehe das Cover der CD). Das Rückgrat der zweiten Kammersymphonie bildet eine Chaconne mit 16 Akkorden aus sieben bis zehn Tönen plus einem siebzehnten Schlussakkord für den König. Zwischen einigen Variationen erklingt ein Zitat aus der Schlussfuge von Johann Sebastian Bachs Motette Singet dem Herrn ein neues Lied BWV 225, denn auf der Wappenscheibe findet sich neben dem Bild von König David der Satz „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ aus dem von Bach vertonten Psalm 150.
Diese Musik ist erstklassig gemacht und oft mitreißend. Wirklich gut sind die Einspielungen, dafür sorgt auch Thomas Zehetmair, zum Zeitpunkt der Aufnahme im September 2019 der österreichische Chefdirigent des Klangkörpers. Man merkt vor allem, dass das Musikkollegium Winterthur Dubugnons Kammersymphonie Nr. 2 schon dreimal öffentlich aufgeführt hat. Die Pianistin Noriko Ogawa wird dem extrem anspruchsvollen Solopart in den Klavieriana fast immer gerecht.
Ingo Hoddick