Brahms, Johannes / Max Reger
Klarinettenquintette
Sharon Kam (Klarinette), Isabelle van Keulen/Ulrike-Anima Mathé (Violine), Volker Jacobsen (Viola), Gustav Rivinius (Violoncello)
Die Klarinettistin Sharon Kam hat mit dieser Einspielung die Trias der Klarinettenquintette komplettiert. Nach dem 2011 aufgenommenen Mozart-Quintett kombiniert sie nun die Spätwerke von Johannes Brahms und Max Reger. Als Mitstreiter greift sie auf das bewährte Quartett mit namhaften Kammermusikfreunden zurück, die auch bei der Mozart-Einspielung mitwirkten.
Die Kompositionen von Brahms und Reger liegen gut 25 Jahre auseinander und stehen in beiden Fällen im Schaffen an exponierter Stelle. Brahms erhielt durch die Begegnung mit dem Meininger Klarinettisten
Richard Mühlfeld 1891 einen neuen Schaffensimpuls, der unter anderem zum Klarinettenquintett h-Moll op. 115 führte, während Max Reger zunächst mit seinen Klarinettensonaten op. 49 und 107 und dann mit dem Ende 1915 abgeschlossenen Quintett A-Dur op. 146 Brahms nacheiferte. Es war sein letztes Werk, dessen Uraufführung er nicht mehr erlebte.
In der formalen Anlage und in der Stellung der Klarinette zum Streichquartett stehen sich die beiden viersätzigen Quintette sehr nahe. Die Klarinette ist als vollkommen gleichwertige Partnerin in das musika-
lische Geschehen eingebettet. Solistisch virtuose Attitüden sind verbannt mit Ausnahme des von ungarischer Musik beeinflussten rhapsodischen Mittelteils im zweiten Satz des Brahmsschen Quintetts. Max Reger erweist zudem Brahms seine Reverenz mit einer motivischen Anleihe im ersten Satz.
Sharon Kams Interpretation realisiert die partnerschaftliche Rolle in beiden Quintetten in nahezu optimaler Weise. Dank ihrer äußerst wandlungsfähigen Tongebung und einer bis zum fast unhörbaren Pianissimo reichenden Spannweite in der Dynamik gewinnt sie ihrem Part alle in der Partitur vorgeschriebenen Facetten ab. Dabei nimmt sie sich stellenweise doch etwas zu weit zurück, sodass besonders in Tutti-Passagen bei Brahms der Klarinettenpart etwas unterbelichtet erscheint.
Die Streicher stehen ihr nicht nach und musizieren mit einem Höchstmaß an klanglicher Transparenz, die besonders die Vielschichtigkeit der Rhythmik bei Brahms hervorhebt und das Stimmengeflecht Regers offenlegt. Das Quartett spielt klanglich und musikalisch sehr homogen, mitunter mit leichter Dominanz der ersten Violine. Insgesamt wird das Ausdrucksspektrum der spätromantischen Klarinettenquintette sowohl in feinen Nuancen als auch in seiner Intensität ausgekostet. Die Brahms-Interpretation enthält trotz der Molltonalität viele lichte Momente, während das A-Dur-Quintett von Reger melancholische Züge aufweist und die Tiefe der Musik vollends zur Entfaltung gebracht wird.
Die Aufnahmetechnik, die für die Durchsichtigkeit des Klangbildes vorbildlich ist, wird der Intimität des kammermusikalischen Musizierens durch den etwas zu halligen Raumklang aber nicht ganz gerecht.
Heribert Haase