Johann Stamitz

Klarinettenkonzert B-Dur

Urtext, hg. von Nicolai Pfeffer, Klavierauszug von Michail Lifits

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 68

Der Beginn der Blütezeit der Klarinette als Soloinstrument ist eng mit dem Namen Carl Stamitz verbunden. Insbesondere er hat für das zu seiner Lebenszeit auf den Markt gekommenene Instrument viele Konzerte geschrieben. Sein Vater Johann (1717-1757) allerdings hat das Verdienst, das allererste Konzert für die B-Klarinette komponiert zu haben.
Dass wir dieses überhaupt kennen, ist dem Musikforscher Peter Gradenwitz zu verdanken, der es im Rahmen seiner Beschäftigung mit Johann Stamitz 1933 in der berühmten Musiksammlung der Fürsten Thurn und Taxis in Regensburg in einem handschriftlichen Stimmensatz entdeckte. Zwar steht auf dem Titelblatt nur der Name Stamitz, aber die stilistischen Eigenheiten lassen die Autorschaft von Johann Stamitz gesichert erscheinen.
Weitere Daten zu dem dreisätzigen Konzert, dessen Orchesterbesetzung neben den Streichern nur zwei Hörner verlangt, sind sehr vage.
Die technischen Anforderungen in diesem Konzert sind für den zeitgenössischen Spieler auf einer fünfklappigen Klarinette eine anspruchsvolle Aufgabe. Johann Stamitz hat eine Vorliebe für einen hellen Klang, der sich im dominanten Gebrauch der oberen Lage bemerkbar macht. Für eine intensivere Nutzung der sonoren tiefen Lage waren die Entwicklung des Instruments und die Zeit noch nicht reif.
Für die Urtext-Ausgabe stand nur die oben genannte Abschrift als einzige Quelle zur Verfügung, da für das Konzert kein zeitgenössischer Druck existiert. Das Hauptaugenmerk bei der Erstellung des Notentextes lag dabei auf der Interpretation der Artikulationszeichen, insbesondere der Legatobögen. In den Einzelbemerkungen werden die Entscheidungen des Herausgebers Nicolai Pfeffer zumeist sinnvoll begründet, aber auch mögliche Alternativen aufgezeigt, sodass noch Spielraum bei der Interpretation bleibt, zumal die Vorgaben aus der Vorlage sehr sparsam sind. Außer bei offensichtlichen Kopistenfehlern gab es in den Notentext selbst keine weiteren nennenswerten Eingriffe.
Vergleicht man die Urtextausgabe mit anderen existierenden Drucken (u. a. bei Billaudot und Schott), stellt man fest, dass es im Hinblick auf die Dynamikangaben und Bogensetzung erhebliche Abweichungen gibt, allerdings auch einige wenige Notentextänderungen, auf die die neue Ausgabe im Notenkommentar auch hinweist. Der geschickt gesetzte Klavierpart von Michail Lifits ist im Unterschied zur Schott-Ausgabe näher an dem rhythmischen Geschehen des Orchesters, da er die kleineren Notenwerte berücksichtigt, die der Dichte der Komposition entsprechen, während diese bei Schott der leichteren Spielbarkeit wegen weithin ausgespart werden.
Die bereinigte, das Notenmaterial aus der Zeit der Mannheimer Schule reproduzierende, sehr gut lesbare Henle-Ausgabe wird der Bedeutung dieses frühen Konzerts in jeder Form gerecht und überlässt den Interpreten die detaillierte Gestaltung. Sie ist auch in der Henle-Library-App erhältlich.
Heribert Haase