Albrecht Mayer, Heidi Friedrich

Klangwunder

Wie die Kraft der Musik mich geheilt hat

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: adeo Verlag, Aßlar
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 64

Albrecht Mayer, seit über 30 Jahren Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern, hat gemeinsam mit der Journalistin Heidi Friedrich seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. In der Autobiografie Klangwunder beschreibt er seinen künstlerischen Werdegang und gibt Einblick in Privates. Dieses Buch ist berührend, weil sich Mayer auch mit schwierigen Lebensabschnitten auseinandersetzt und eigene Schwächen mit entwaffnender Ehrlichkeit bloßlegt.
Seine Kindheit in Bamberg war geprägt von Konflikten mit dem autoritären Vater, der ihm aber letztlich den Weg zu einer Musikerlaufbahn eröffnete. Rebellisch und zugleich von Schuldgefühlen geplagt, begann Mayer als Kind zu stottern. Als er zehn war, verordnete ihm sein Vater als Therapie gegen die Sprachstörung kurzerhand Oboenunterricht. „Die Oboe ist mein Schicksalsinstrument. Sie ist das Beste, was mir in meinem Leben hätte passieren können, was mein Vater je hätte für mich tun können“, bekennt Mayer. „Sie war das Entrée in eine bessere Welt für mich.“ Intensives Üben führte bald zum Erfolg. Der Junge überwand seine Komplexe, entwickelte Selbstbewusstsein und hörte schließlich auf zu stottern. Unmittelbar nach dem Studium in Hannover wurde Mayer 1990 Solo-Oboist der Bamberger Symphoniker, bevor er zwei Jahre später die gleiche Position bei den Berliner Philharmonikern einnahm. Auf die erste Euphorie nach der Zusage der begehrten Stelle folgte jedoch bald große Ernüchterung. Von den Berliner Orchesterkollegen fortwährend kritisiert, verlor er das sorglose Hochgefühl, das ihn durch sein bisheriges Musikerleben getragen hatte. „Ich übertreibe nicht: Die ersten beiden Jahre in Berlin und bei den Berliner Philharmonikern waren die schlimmsten meines Lebens“, gibt er unumwunden zu. Irgendwann war die Probezeit erfolgreich überstanden, die Angst auf der Bühne begleitete ihn aber noch lange.
Den Wechsel nach Berlin hat Mayer allerdings nie bereut. Mit weltbekannten Dirigenten wie Claudio Abbado, Sir Simon Rattle oder Zubin Mehta konnte er sich im Laufe der Jahre künstlerisch weiterentwickeln. Solistische Auftritte in aller Welt und das Dirigieren kamen als weitere wichtige Erfahrungen hinzu. Mit Dankbarkeit spricht er in seinem Buch über Lehrer, vertraute Bühnenpartner und die drei Komponisten, die ihn besonders geprägt haben: Bach, Mozart und Beethoven. Klassische Musiker sieht Mayer in der Pflicht, sich nie auf dem bisher Erreichten auszuruhen. „Wenn wir junge Menschen für klassische Musik und unsere Kulturtraditionen begeistern wollen, müssen wir in Zukunft flexibler sein und sehr früh ansetzen. Da sind uns andere Länder weit voraus.“

Corina Kolbe