Werke von Eres Holz, Johannes B. Borowski und Stefan Keller

Klangrede 4

Zafraan Ensemble, Ltg. Titus Engel

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bastille Musique
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 68

Es ist, wie die Ziffer 4 auf dem Etikett unterstreicht, die vierte Produktion des Labels Bastille Musique. Hinter dem spartanischen Design der mit Heftnadeln zusammengehaltenen Kartonbox verbirgt sich die konsequente Ablehnung von Plastikmaterialien und Äußerlichkeiten zugunsten einer Aufwertung des Inhalts. So ist die CD gesondert in einer bedruckten Kartonhülle verpackt, dazu gibt es ein erfreulich dickes Booklet, das neben einem gewichtigen Essay von Clemens Hund-Göschel viele Abbildungen aus Partiturmanuskripten enthält, und darüber hinaus liegt zu jedem der vertretenen Komponisten sowie zum Ensemble jeweils ein Leporello mit zahlreichen Farbfotografien vor.
Die Macher setzen also erfreulicherweise auf Substanz, und tatsächlich wird mit allen Mitteln das ausgeleuchtet, was auf der Vorderseite mit einem Stichwort angedeutet ist: Welche Relevanz kann der im musikalischen Diskurs des 18. Jahrhunderts verankerte Begriff „Klangrede“ für zeitgenössisches Komponieren besitzen? Eres Holz (*1977), Johannes B. Borowski (*1979) und Stefan Keller (*1974), allesamt einer Generation angehörend, beantworten diese Frage auf sehr unterschiedliche Weise mit jeweils einem Kammermusik- und einem Ensemblewerk und verfolgen dabei ganz individuelle Ansätze.
Holz etwa schafft in seinem Quintett für Flöte, Klarinette, Viola, Klavier und Harfe (2009) tonale Gravitationsfelder jenseits der Dur-Moll-Harmonik und untersucht die Möglichkeit der Erzeugung von Spannungen und Tendenzen zur Auflösung – mithin also Kennzeichen, die für die musikalische Rhetorik von großer Bedeutung sind. In Kataklothes (2015) wiederum richtet er den Blick auf die Wechselwirkungen zwischen Harmonik und Melodik und leuchtet die Übergangsbereiche zwischen beiden aus.
Borowski dagegen arbeitet in seinem Klaviertrio (2013) mit redeähnlichen, sich umschlingenden oder einander abstoßenden Figuren, die – an Rezitativwendungen erinnernd – ihre Wurzeln in einem modernen Redegestus haben, während sein die Kontraste zwischen statischen und energetischen Strukturen erkundenes Ensemblestück Des (2015) klangliche Fundstücke mit assoziativen Verweisen auf die Natur einbezieht.
Keller schließlich fokussiert vor allem auf die Möglichkeiten des Rhythmus als musiksprachliches Element: In Hammer für Saxofon, Schlagzeug und Klavier (2015) nutzt er den körperlichen Ausdruck rhythmischer Gestaltungsmittel als roten Faden, und in Soma oder Die Lust am Fallenlassen (2015) schreibt er den Ensembletexturen immer wieder geschärfte rhythmische Artikulationen voller explosiver Unisono-Akzente ein, um der Musik dadurch einen Vorwärtsdrang zu verleihen.
Was diese Produktion so außergewöhnlich macht, ist nicht nur die abwechslungsreiche Abfolge von sechs fesselnden Kompositionen, sondern auch deren kompromisslose, klanglich bis in die Extrembereiche ausgelotete und aufnahmetechnisch tiefenscharf eingefangene Interpretation durch das Zafraan Ensemble unter Leitung von Titus Engel.
Stefan Drees