Verein Academia Allegro Vivo (Hg.)

Klang verbindet

Allegro Vivo Festival Austria

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Kremayr & Scheriau, Wien 2018
erschienen in: das Orchester 05/2019 , Seite 58

Im schönen Waldviertel, Niederösterreichs nordöstlichem Zipfel, trifft sich allsommerlich eine Schar junger Leute bei einem der größten Kammermusikfestivals unserer Tage, dem Allegro Vivo Festival Austria. Zum 40-jährigen Bestehen dieser – man muss schon sagen – Institution ist ein hübscher Bildband entstanden, der auf knapp 150 Seiten zurück- und nach vorn schaut auf dieses Projekt, dem die iranisch-stämmige Familie Khadem-Missagh einen ganz eigenen Stempel aufdrückte.
Der Geiger und Dirigent Bijan Khadem-Missagh, mit zehn Jahren als Spross einer Musikerfamilie aus Teheran nach Wien gekommen und 1971 zum Primarius des Niederös­terreichischen Tonkünstlerorchesters aufgestiegen, gründete 1979 nicht nur das Tonkünstler-Kammerorchester, sondern auch gleich das Internationale Kammermusik Festival Allegro Vivo, das mit einem Konzert im Stift Altenburg aus der Taufe gehoben wurde. Für zwei Wochen suchten damals Musikstudenten aus aller Welt bei Meisterkursen und Konzerten in malerischen Locations den letzten Schliff für ihre künstlerische Entwicklung.
Von Anfang an – und daran ist Bijans Ehefrau Shirin nicht ganz unschuldig – verstand sich das Festival aber auch als Ort für die Auseinandersetzung mit den Strukturen und Methoden der Musikpädagogik. Schon zu Beginn der 1980er fand als Teil der Sommerakademie die Förderung von Kindern und Eltern einen eigenen Platz. Das war damals neu, heute ist das schon fast üblich.
Inzwischen ist das Allegro Vivo Festival nicht nur auf sechs Wochen Dauer angewachsen, es hat mit seinem „Spirit“ auch das gesamte Waldviertel erobert: 35 Spielorte sind es heute – alte Klöster, Kirchen, Burgen, Plätze –, die um das neue Zentrum Horn den Sommer in der niederösterreichischen Provinz kulturell aufwerten und neben den jungen, hochbegabten Musikern auch etliche Touristen in den an kulturellen Kleinodien reichen Landstrich locken.
2016 ist die künstlerische Stabführung vom Vater auf den Sohn übergegangen: Der Geiger Vahid Khadem-Missagh  steht nun am Pult des Festival-Orchesters und führt die Kontakte zu den Dozenten-Kollegen und Gastkünstlern fort. Seit 2008 erscheint unregelmäßig in Zusammenarbeit mit dem ORF ein Konzertmitschnitt auf CD. Fürs Jubiläum findet sich neben Werken von Mendelssohn und Dvořák auch Mahlers 4. Sinfonie (für Kammerensemble) sowie das minimalistische Stück Orawa für Streichorchester des polnischen Zeitgenossen Wojciech Kilar – Sinnbild für die regelmäßige Auseinandersetzung des Festivals mit neuer und neuester Musik.
Es ist – alles in allem – hier von einem gelungenen Buchprojekt zu berichten. Es fängt in stimmungsvollen Fotos (Dieter Schewig) und Texten (Alexander Moore) die Seele des Festivals an der tschechischen Grenze ein und hat jede Aufmerksamkeit verdient. Das kommende Festival beginnt übrigens am 2. August mit einem Streicherkonzert im Palmenhaus von Gmünd, mit László Fenyö, Professor in Karlsruhe, am Solo-Cello.

Armin Kaumanns