Heilmann, Harald

Kanonische Suite

für Trompete, Horn und Posaune, Spielpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2012
erschienen in: das Orchester 11/2012 , Seite 80

Harald Heilmanns Kanonische Suite für Trompete, Horn in F und Posaune entstand schon 1974 auf Anregung des Hornisten Lucien Thévèt. Die gewählte polyfone Struktur lässt hierbei die drei Instrumente am melodischen Geschehen gleichberechtigt teilnehmen und erzeugt dadurch eine lebendige Harmonik. Interessant ist hierbei, dass sich trotz des durchaus modern angelegten Kompositionsstils viele Verknüpfungspunkte zu älterer oder gar “alter” Musik ergeben. Klingt eine Passage eher zeitgenössisch modern, so passiert es immer wieder, dass man sich wie durch Zauberhand plötzlich um 300 Jahre zurückversetzt fühlt. Kluger Umgang mit den Möglichkeiten moderner Stimmführung machen es eben möglich, Klangstrukturen regelrecht zu „morphen“. Ein spannender Ansatz, der die Moderne eben nicht als Gegenentwurf zur Tradition, sondern als ihre Wei­terentwicklung sieht. So bleibt die Essenz des Alten erhalten und kann, muss aber nicht, zum Vorschein kommen.
Harald Heilmann legt die einzelnen Sätze natürlicherweise zuallererst als Kanon an, lässt dann aber jedem Stück seinen eigenen Charakter und die zugehörige strukturelle Entwicklung. So sind die ersten beiden Teile sehr kontrapunktisch angelegt, durchaus anfänglich noch als Kanon erkennbar. Hierbei mutet Teil eins harmonisch sehr modern an, geradezu multitonal. Mit der Zeit drängt sich dann allerdings ein fast schon fugaler Charakter ins Bild (ohne genauer auf kompositorische Regeln eingehen zu wollen). Der zweite Teil bleibt klanglich zuerst ähnlich, wenn auch sehr viel getragener, schwenkt dann allerdings um, fast schon wie zur Versöhnung, in einen “klassischen” dreistimmigen Satz barocker Couleur, um im Da Capo wieder zu zeigen, wo es hingehen soll.
Der dritte Satz, mit “Menuetto” überschrieben, hat erst einmal eine Überraschung parat. Dieses Menuett ist in 5/4 geschrieben. Quasi ein Zwiefacher, warum nicht? Hier kommt die Verbindung zwischen alt und neu sehr deutlich zum Vorschein. Der allererste Höreindruck erinnert an frühe Renaissance, viele reine Quarten und Quinten. Bei näherer Analyse ist jedoch die moderne Harmoniesprache nicht zu übersehen. Der nächste Abschnitt, mit “Canon a 2 (et per motum contrarium)” versehen, startet als deutlicher Kanon der zweiten und dritten Stimme, zu der sich die erste als Oberstimme mit neuem melodischen Material gesellt, um sich dann immer mehr mit den anderen beiden Stimmen zu verweben. Der fünfte und letzte Teil ist sehr rhythmisch, fast schon fanfarenartig angelegt. Auch hier ist der Kanon anfangs sehr deutlich, entwickelt sich dann aber zunehmend in Richtung völlig gleichberechtigtem Kontrapunkt. Als Quintessenz bleibt ein Eindruck: spannend! Es wird gute Musiker brauchen, dieses Werk zu spielen. Bleibt zu hoffen, dass sich derer viele finden.
Mathias Engl