Reinhild Spiekermann

Kammermusik 55+. Menschen zueinander bringen

Empirische Untersuchung und Praxisworkshop, unter Mitarbeit von Jonathan D. Misch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann
erschienen in: das Orchester 02/2018 , Seite 58

Die vorliegende Publikation entstammt dem Forschungsschwerpunkt der Detmolder Professorin für Instrumentalpädagogik Reinhild Spiekermann und ist nach Erwachsene im Instrumentalunterricht. Didaktische Impulse für ein Lernen in der Lebensspanne (2009) ihre zweite musikgeragogische Publikation.
Kammermusik 55+ ist im Jahr 2015 zugleich ein Musizier- und Begegnungswochenende für erwachsene Amateurmusiker an der Hochschule für Musik Detmold gewesen, in dem Laien und Profis gemeinsam kammermusikalisch musiziert haben (dies bildet das Foto auf dem Buchcover leider nicht ab). Es gab verschiedene Module von „Vierhändig Klavier“ bis hin zu „Bodypercussion“, zu denen sich die älteren Erwachsenen anmelden konnten. Projekt-begleitend wurden mündliche und schriftliche Erhebungen durchgeführt und ausgewertet.
Das Ergebnis ist ein sehr strukturiertes und detailliertes Buch, welches sich einer Nische zwischen Musikpädagogik und -geragogik widmet. Rückt Zweiteres meist niedrigschwellige Angebote für Senioren in den Fokus, lenkt Spiekermann den Blick auf jene, die sich in der sogenannten dritten Lebensphase befinden. Neben der Zielgruppe ist auch der Fokus mit instrumentaler Kammermusik in Abgrenzung zum mannigfachen Chor- und Orchesterangebot für Laien interessant.
Bemerkenswert ist bereits die Einleitung des Buchs, da sie ausführlich belegt, dass es sich um ein noch junges Berufsfeld mit mangelnder Fachliteratur handelt, anstatt diesen Tatbestand nur floskelhaft zu beklagen. Der aktuelle Forschungsstand bundesweit und darüber hinaus wird skizziert, es wird auf wichtige Publikationen bezüglich der Thematik verwiesen, es werden Begriffe und Ziele definiert, um daraufhin die Notwendigkeit der vorliegenden Forschungsarbeit zu verdeutlichen.
Neben einer Projektbeschreibung dominiert die umfangreiche Studie mit folgender Leitfrage das Buch: „Wie wird kammermusika-lisches Musizieren von Amateuren im Alter von 55 Jahren und älter (55+) praktiziert?“ Begleitrecherchen und eine Zusammenfassung runden das Thema ab und sensibi-lisieren für viele Belange. Von Projektplanung bis Zeitmanagement wird auch über Hürden in der Kommunikation und den Bedürfnissen dieser Zielgruppe gesprochen. Die Recherchen bleiben nicht im Detmolder Musizierwochenende stehen, sondern beziehen das bundesweite Musikschulnetzwerk mit Fokus Nordrhein-Westfalen mit ein. Neben dem kammermusikalischen Angebot für ältere Personen sei der digitale Wandel auch ein wichtiges Thema.
Der theoretische Erkenntnisgewinn gepaart mit Praxishinweisen ist eine Stärke dieses Buchs, denn die Studie bringt zwar keine bahnbrechenden Erkenntnisse, lässt aber in Motive, Motivationen, Bedarf und Beziehungen einblicken, welche wiederum sehr interessant für eine zukünftige Gestaltung dieses instrumentalpädagogischen Bereichs im Zuge des demografischen Wandels sind.
Eva-Maria Kösters