Anno Schreier

Kaleidoskop

für Bläserquintett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 68

Schon vor zehn Jahren wurde es uraufgeführt, nun liegt es im Druck vor: Anno Schreiers Kaleidoskop für Bläserquintett (2009). Flöte, Oboe (mit Englischhorn), Klarinette, Horn und Fagott erhalten im gut zehnminütigen Werk viele Möglichkeiten, solistisch zu brillieren und auch interessante Ensemblearbeit zu machen.
Es beginnt ruhig (Lento): Flöte, Klarinette und Fagott lassen unisono ein kleines, ruhiges Motiv über drei Takte ertönen. Im fünften Takt kommen Horn und Oboe dazu. Es ist ab jetzt nicht mehr unisono, ein paar Dissonanzen würzen, die Dynamik schwillt an, geht zurück und schwillt wieder an bis zum Beginn des Vivace (Takt 8). Vertrackt fügt sich nun Einsatz an Einsatz und die Oboe beginnt den fröhlichen Tanz im (überwiegend) 6/8-Takt, artikulierend im teils akzentuierten Staccato. Bunt und tänzerisch fügt nun jeder Bläser seine Stimme hinzu, nicht fugiert, aber sich jeweils sehr ähnelnd. Ein „Klanggeflecht, das sich ständig verändert und transformiert“, nennt Komponist Schreier das Prinzip seines Bläserquintetts, das Kaleidoskop als Inspiration nutzend.
Nach 36 Takten zwingt Schreier die Bläser, nach einem kurzen flotten Lauf aufwärts, sich wieder nach und nach in den hübschen Tanz einzufinden, nun beginnend mit der Flöte. Gebundene Sechzehntelläufe aufwärts tauchen nun häufiger auf, jeweils versehen mit einem Crescendo und insgesamt ist die Dynamik nun einige Zeit im Forte angekommen. Die Läufe folgen immer häufiger (auch das Horn muss mit) und sind dann nicht mehr nur im Tutti, sondern auch in den einzelnen Stimmen anzutreffen. Sie wirken auf den Hörer wie ein homogenes, sauber übereinander gestapeltes Sechzehntelgeschwirre.
Das tanzende Vivace verebbt durch Ausdünnung (weniger Stimmen sind beteiligt), die Artikulation wechselt vom hüpfenden Staccato zum Legato. Im 9/8-Takt eilen dann alle Instrumente wieder durch die schon bekannten Sechzehntelläufe. Da aber die Viertel seit dem Vivace bei nur 90 Schlägen pro Minute liegen, wirkt es nie hektisch. Die tanzenden Achtel, wieder im Staccato artikuliert, folgen, nun gespickt mit einigen Sechzehntelläufen. Kurz vor Ende darf das Englischhorn anstelle der Oboe loslegen. Schreier setzt so eine neue Klangfarbe hinzu und bezieht sich mit dem musikalischen Material auf den Beginn des einsät-zigen Werks. Zusätzlich reduziert er hier das Tempo. Weniger tanzende Achtel, mehr Einwürfe, einige gestopfte Horntöne – etwas wohldosierte Dramatik.
Anschließend darf wieder die Oboe anstelle des Englischhorns im folgenden Vivace (Tempo I) tanzen, die Flöte glänzt mit hohen Tönen. Am Ende belebt ein flottes Tempo, mit Vierteln zu 135 Schlägen das flotteste Tempo bisher. Ziemlich eng verquirlt es sich kurzzeitig in den Stimmen, bunt und lebendig, aus den beiden Motiven Tanz und Sechzehntellauf schöpfend, sich in Einwürfen ausdünnend, um in den letzten Takten deutlich langsamer auszulaufen.
Schreier hat dieses Bläserquintett nicht mit technischen Höchstleistungen gespickt, sondern stattdessen wohldurchdachte, virtuose Spielmusik geschaffen.
Heike Eickhoff