Heinz Holliger
Kadenzen
Konzert für Flöte, Harfe und Orchester in C-Dur KV 299 von Wolfgang Amadeus Mozart
Sich frei, unbeschwert und mit Lust in der scheinbaren Leichtigkeit des Seins zu bewegen gehört unter Instrumentalisten immer noch zu den Herkulesaufgaben – vergleichbar „einfach“ hat es der Musiker, der sich mit kindlicher Unbefangenheit und der Technik des versierten Profis dieser Aufgabe stellt, die beispielsweise Mozarts Musik innewohnende Schwerelosigkeit ins Klangliche zu transzendieren.
Der Zugang zur Transformation liegt hier in Form der Kadenzen zu dem Konzert für Flöte, Harfe und Orchester in C-Dur KV 299 durch die kongeniale Modifikation Mozart’schen Gedankenguts in eine durch und durch geatmete, im besten Sinne spielerische Kompositionserweiterung durch Heinz Holliger vor. Gewiss, neu sind die Kadenzen nicht; eine Reihe illustrer Namen steht mit dem heiteren, musikalisch unkomplizierten Werk in Verbindung. Doch in vorliegender Ausgabe finden wir Holligers verschiedene Fassungen des deutlich an Mozarts eigener Praxis orientierten Kadenzgedankens gesammelt, zugleich Flöten- und Harfenstimme im großzügigen Druck gesetzt, der die kammermusikalische Orientierung deutlich fördert und das Spiel erleichtert.
Uraufgeführt wurden die Kadenzen vor geraumer Zeit. So stammen beispielsweise die Ersteinspielungen von 1970 (Peter-Lukas Graf/Ursula Holliger) sowie 1987 (Aurèle Nicolet/Ursula Holliger). Die erste Fassung (1962) betont im Vergleich zur zweiten (1987) im Beginn den virtuosen Aspekt in der Flötenstimme; die Zweite erscheint dialogorientierter. Diesen Grundgedanken finden wir auch im 2. Satz wieder; Holliger dünnt in der Version von 1987 den Klang etwas aus, führt schlankere Linien und lässt zugunsten kammermusikalischer Kommunikation den Farbaspekt, der die 1962er-Fassung eher dominiert, zurücktreten. Gerade im 2. Satz tritt die Gleichberechtigung beider Instrumente stärker in den Vordergrund – hat die virtuos geführte Harfe in der 1962er-Fassung doch mehr Klangvolumen, farbenprächtige Kulissenfunktion, so setzt der puristischere 1987er-Part stärkere motivisch-thematische Akzente.
Im 3. Satz schließt die 1962er-Kadenz den Kreis zum transparenten Zwiegespräch der 1987er-Fassung; auch hier erleichtert die recht genaue Zeichengebung die interpretatorische Kommunikation des luziden Dialogs.
Für den Vortrag sind sicher die verschiedenen Kadenzen interessant; ob sich der Flötist je nach Möglichkeiten für eine eigene kadenziale Betrachtung der Themen, für Reinecke, Badura-Skoda oder Holliger entscheidet, hängt sicher auch vom Kontext des Konzertprogramms ab. Holligers Kadenzen als vielfach erprobte, deutlich an Mozarts Intention orientierte kammermusikalische Preziosen werden aber sicher unverzichtbar bleiben.
Christina Humenberger


