Joy of Music. Entdeckungen aus dem Verlagsarchiv Schott

Virtuose und unterhaltsame Stücke für Flöte und Klavier, hg. von Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter/ für Klarinette und Klavier, hg. von Rudolf Mauz und Rainer Mohrs, Klavierauszug und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 11/2020 , Seite 63

„Wie glücklich ihr seid, ihr jungen Leute!“, sprach einst Alexander Glasunow zu seinem Schüler Schostakowitsch und dessen Kommilitonen Malachowski, als diese offenbarten, die Sinfonie nicht zu kennen, die sie gerade vierhändig vom Blatt während ihrer Kompositionsprüfung gespielt hatten. „Wieviel Interessantes und Schönes habt ihr noch vor euch. Dies war die zweite Symphonie von Brahms!“ (Krzysztof Meyer: Schostakowitsch, Schott 2008)
Beglückend ist auch die Empfindung beim Öffnen – voller Neugier und Staunen – der vorliegenden Neuerscheinung anlässlich des 250-Jahr-Jubiläums des Schott-Verlags: Was schlummerte da in einem Dornröschenschlaf in den Verlagsarchiven! Und was mag wohl noch weiter darinnen auf das Tageslicht warten, fragt sich die ob der Entdeckungen nimmersatt gewordene Musikerin…
Die Rezeptionsgeschichte hat es in sich, haben wir doch bei Lichte betrachtet die schillernde Kompositionslandschaft als einen sehr selektiv wahrgenommenen Steinbruch benutzt und dabei achtlos leicht verstaubt wirkende Kompositionen oder Werke nicht bahnbrechend bedeutender Komponisten oder Instrumentalisten, die ihr eigenes Instrument kompositorisch bedacht haben, links liegen lassen. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch so manch eine Zugabe, manch Bearbeitung als wunderbares Kleinod heraus! Zeitgeschmäcker und Moden ändern sich immer wieder, und so ist es sehr lohnend und spannend, Kompositionen der musikgeschichtlichen „Nebenpfade“ wieder zum Erklingen zu bringen.
So finden sich im bewährt spielerfreundlichen, übersichtlichen Druck etliche Originalkompositionen für Flöte oder Klarinette und Klavier von teils namhaften Flötisten und Flötenpädagogen wie z. B. Gottlieb Heinrich Köhler, Louis Fleury bzw. von komponierenden Klarinettisten wie z. B. Carl Baermann oder dem bekannten Schott-Autor Joseph Küffner. Die Kompositionen siedeln meist als teil weise virtuose Zugaben oder anspruchsvolle Salonmusik in der Romantik; zudem finden sich auch bei Solo-Instrumentalisten immer wieder beliebte kunstvolle Arrangements bekannter Opernmelodien, wie z. B. aus Rossinis Wilhelm Tell.
Nun reichen die Kabinettstückchen, die virtuosen Zaubereien, die klangschönen Kleinode, die explizit für die professionelle Musikerin oder den fortgeschrittenen Liebhaber (Schwierigkeitsgrad 3-5) von Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter (Flötenband) sowie Rudolf Mauz und Rainer Mohrs (Klarinettenband) aus den Tiefen des spannenden Schott-Archivs geschürft, erprobt und für musizierenswert befunden wurden, vielleicht nicht ganz an das eingangs zitierte Erweckungserlebnis von Schostakowitsch heran – aber hier wartet ein Schatz auf die erkundungsfreudigen Flötisten und Klarinettistinnen, die hoffentlich bald ihre Konzerte um vorliegende Preziosen bereichern mögen: „Wieviel Interessantes und Schönes habt ihr noch vor euch!“
Christina Humenberger