Roussel, Albert
Joueurs de flûte op. 27 für Flöte und Klavier
hg. von Marion Beyer, Fingersatz der Klavierstimme von Klaus Schilde
Die vier Charakterstücke Joueurs de flûte von Albert Roussel (1869-1937) sind in den bei Durand erschienenen Einzelausgaben (Paris 1925) bis heute weit verbreitet. Die Quellenlage ist erfreulich unkompliziert, denn das Autograf aus dem Jahr 1924 und die Erstausgabe bei Durand sind fast deckungsgleich. Die vorliegende Neuausgabe bei Henle, die sich an Autograf und Erstausgabe orientiert, vereint alle vier Stücke in einem Band, was nicht nur praktisch, sondern auch preislich attraktiv ist.
Ein deutsch-englisch-französisches Vorwort informiert knapp über Roussels Leben und Werk, skizziert die Entstehungsgeschichte der Joueurs de flûte und erläutert sodann kurz die einzelnen Stücke. Die titelgebenden Flötengestalten aus Mythologie bzw. Literatur I Pan, II Tityre, III Krishna, IV M. de la Péjaudie stehen dabei im Zentrum. Bis auf Roussels Freund Fleury, der die Stücke im Januar 1925 uraufführte und von dem ein interessanter Tempo-Hinweis überliefert ist, werden die anderen namhaften Widmungsträger (Moyse, Blanquart, Gaubert) nur kurz erwähnt. Ein Glossar für die französischen Vortragsbezeichnungen wurde leider nicht angelegt.
Der Notentext der Flötenstimme entspricht im Großen und Ganzen dem der Erstausgabe. Neu sind Taktzahlen und eine größere Anzahl Stichnoten am Beginn von II, III und IV. Dafür fehlen hier wie in der Klavierstimme überwiegend die Doppelstriche bei Taktartwechseln. Auch wurde einiges (unnötig?) vereinheitlicht: Lediglich tempobezogene Vortragsbezeichnungen werden groß, dynamische, agogische und andere Vorgaben dagegen kleiner, dünn und kursiv gedruckt. Insgesamt ist das Druckbild jedoch gut lesbar.
Größere Abweichung gibt es in der Klavierstimme, die mit Fingersätzen versehen wurde. Insgesamt sind es viel zu viele Fingersätze, die zudem nicht alle schlüssig sind. Einige sind überflüssig (z.B. II, T. 29), andere unklar bzw. verwirrend (z.B. III, T. 56 l.H.) oder ungeschickt (z.B. IV, T. 25,1+ r.H.). Die ganze Partitur ist enger gedruckt, was nur bedingt überzeugt. Auch die neuen Blätterstellen in II und III sind nicht günstiger. Generell ist das Druckbild nicht immer stimmig. So werden z.B. Sextolen-Klammern uneinheitlich verwendet; gegenüber der Erstausgabe fehlt in I, Takt 12 f., l.H. ein doppelter Legato-Bogen, was zusammen mit dem Fingersatz eine falsche Artikulation nahelegt. Sogar in den kritischen Apparat haben sich Fehler eingeschlichen: Statt I, T. 46-47 ist T. 47-48 gemeint; die Decrescendo-Gabel in IV, T. 18 sollte eine Crescendo-Gabel sein. Schließlich bleibt eine Ungereimtheit im Klaviersatz unkommentiert: In II, T. 9, drittes Achtel, könnte a” statt g” gemeint sein, denn bei allen zehn Themenexpositionen ist an der entsprechenden Stelle ein Quintsprung.
Wer eine einbändige Neuausgabe der Joueurs de flûte erwerben möchte, sollte auch die Ausgaben bei Broekmans (2008) oder Schott (2009) in Erwägung ziehen.
Andrea Welte


