Ruprecht Kamlah
Joseph Joachims Geigen
Ihre Geschichten und Spieler, besonders der Sammler Wilhelm Kux
Stellenweise liest sich die vorliegende Monografie wie ein Kriminalbericht. Da ist die Rede von gefälschten Expertisen, Phantom-Instrumenten und vielen Lügen und Ungereimtheiten. Ruprecht Kamlah, pensionierter Notar und sicher nicht in allererster Linie Musikwissenschaftler, unternimmt eine an Stationen und Facetten reiche Reise durch den Instrumentenbesitz des berühmten Geigers Joseph Joachim und spürt dem weiteren Verbleib der mehr oder weniger gut bekannten Streichinstrumente nach.
Natürlich darf man die Frage stellen, welcher musikwissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Zusammentragen von „Geschichten“ (so benannt im etwas sperrigen Untertitel dieses Bandes) über Joseph Joachims Geigen denn nun liegen mag. Erwarten würde man ganz sicher die Beantwortung von Fragen wie: Warum griff der Violinvirtuose für bestimmte Werke oder zu bestimmten Zeiten auf die eine oder andere Violine seiner Sammlung zurück? Welche Instrumente schätzte er aufgrund welcher Eigenschaften besonders?
Antworten darauf liefert Kamlah nur am Rande. Wichtiger sind ihm die Beschreibung der Besitzverhältnisse nach Joachim beziehungsweise, im Fall des im Untertitel erwähnten Bankiers Wilhelm Kux, die Darstellung von dessen Lebensumständen in und nach der Zeit des „Dritten Reichs“.
Anhand einer mit Bezug auf Kux’ Flucht in die Schweiz fälschlicherweise als „Joachim“-Guarneri ausgegebenen Geige zeigt Ruprecht Kamlah die Schwierigkeiten der Provenienzforschung auf, die zwar selten musikwissenschaftlich bahnbrechende Erkenntnisse zutage fördert, andererseits aber zeitgeschichtlich durchaus interessant sein kann.
Hier liegt der Mehrwert dieses reich bebilderten Bandes: Kamlah gewährt Einblicke in den Instrumentenhandel rund um die Wende zum 20. Jahrhundert, er zeigt auf, wie sich die gut geölte Maschinerie der Nazis Kunstwerke (zu denen auch wertvolle Violinen zählten) einverleibte, und er berichtet von den Schwierigkeiten der Restitution solcher Instrumente nach dem Zweiten Weltkrieg.
Ruprecht Kamlahs Buch ist zwar recht gut lesbar, allerdings mangelt es ihm stellenweise an geschliffener Sprache und literarischer Qualität. Bisweilen gewinnt man – auch aufgrund der zahlreichen Interpunktions- und Rechtschreibfehler – den Eindruck, man habe es hier mit einem Manuskript zu einer Rede oder Rundfunksendung zu tun. Hier hätte ein versierter Lektor sicher eingegriffen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Werbe-Klappentext der Geigerin Viktoria Elisabeth Kaunzner und dem Vorwort von Robert Whitehouse Eshbach, das einem „Abstract“ in englischer Sprache gleichkommt.
Daniel Knödler