Voigt, Thomas

Jonas Kaufmann

Tenor

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2015
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 69

Der Trend zu Biografien prominenter Persönlichkeiten bereits in jungen Jahren ist nicht zu leugnen. Was gibt es da zu erzählen: Kindheit, Entdeckung des Talents, Förderung, früher Erfolg und warme Lobesworte von Wegbegleitern. Das ist meistens möglich, manchmal jedoch nicht genug. Thomas Voigt, der ein Buch über Startenor Jonas Kaufmann bereits vor fünf Jahren veröffentlicht und jetzt in überarbeiteter Form vorgelegt hat, sieht das wahrscheinlich genauso. Der Titel ist schlicht wie eine Visitenkarte: Jonas Kaufmann. Tenor. Entsprechend sind die Erwartungen des Lesers zunächst zu allen Seiten hin offen.
Thomas Voigt ist als Coach nah dran an Jonas Kaufmann, und das ermöglicht natürlich etwas differenziertere Einblicke in dessen Künstlerleben. Glücklicherweise berichtet er aber nur und enthüllt nicht. Der Leser erfährt selbstredend etwas über die musikreiche Umgebung, in der Kaufmann aufgewachsen ist, Jonas’ ersten Klavierunterricht und über Urlaubsreisen mit den Eltern und Schwester Katrin nach Italien, die den Jungen früh an den Klang der italienischen Sprache herangeführt haben: ein Glücksfall für jemanden, der es später mit Verdi, Puccini, Mascagni und Co zu tun haben wird. Schön erzählt wird in Kaufmanns eigenen Worten vom ersten Opernbesuch als Initialzündung, von ersten Engagements und Anfängerjahren, von Konflikten durch eigenwillige Regie ebenso wie vom internationalen Durchbruch mit La Traviata an der Met.
Aber das Buch erliegt nicht dem Ehrgeiz, einen roten Faden auszulegen – weder zeitlich noch in der Form des Erzählens. Es ist vielmehr ein Buch über die Oper, in dem Kaufmann mit allen Huldigungen, die er von verschiedenen Seiten erfährt, die Hauptrolle spielt.
Voigt, selbst als Autor mit Auszeichnungen dekoriert, pflegt des Publizisten vielleicht liebstes, auf jeden Fall aber lebendigstes Kind, das Interview: er selbst im Gespräch mit Kaufmann, aber auch mit Persönlichkeiten des Kulturlebens wie dem Musikjournalisten Jürgen Kesting. Hinzu kommen Essays von Christa Ludwig oder Kaufmanns treuem Weggefährten am Flügel, Helmut Deutsch. Ferner erhält der Leser Einführungen in technische Feinheiten des Operngesangs, erfährt von der befruchtenden Wechselwirkung zwischen Verdi und Wagner aus sängerischer Sicht, lernt etwas über Verismo, und dies alles aus sich stets ändernder Perspektive. So diskutieren Kollegin Anja Harteros und Kaufmann über Schicksal, Talent und Karriere, und dem Leser wird klar: Hinter dem Bühnenhelden mit Gold in der Kehle steckt auch nur ein Mensch, der hart arbeiten muss. Der Theateralltag einerseits, das Leben als fahrender Sänger zwischen Mailand und New York andererseits – das muss man erst mal aushalten.
Eines schimmert aus allen Statements heraus: Respekt vor einem Künstler, der selbst Respekt hat vor der Musik, vor seinen Kollegen und nicht zuletzt vor seinem Publikum, dem er das Beste auf der Bühne geben will – und nach der Vorstellung oft auch noch ein Autogramm oder einen Handschlag.
Sabine Kreter