Museumsinsel Lüttenheid/Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein (Hg.)

Johannes Brahms

Pure Fruit #25. Comic

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Jaja Verlag
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 63

Im April 2022 jährte sich der Todestag Johannes Brahms’ zum 125. Mal. Anlass für die Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein und das Comic Center Kiel, die 25. Ausgabe des halbjährlich erscheinenden Comic- und Illustrationsmagazins Pure Fruit dem Leben und Werk des Kom­ponisten zu widmen.
Die im Comic Center Kiel vereinten norddeutschen Zeichnerinnen und Zeichner Leni Grimmeisen, Eva Hartmann, Volker Sponholz, Vera Gereke, Matze Latza, Arne Auinger und Tim Eckhorst gestalteten jeweils eines der sieben Kapitel. Erzählerischer Dreh- und Angelpunkt ist dabei Brahms’ lebenslange Verbindung zu Clara Schumann. Sie reicht vom ersten Besuch bei den Schumanns in Düsseldorf 1853 über die unmögliche Liebe zu Clara und über deren Hebammenfunktion bei der so schwierigen Geburt von Kompositionen wie der 1. Sinfonie bis hin zum Schock über Clara Schumanns Ableben nur ein knappes Jahr vor Brahms’ eigenem Tod.
Die Zeichenstile der einzelnen Kapitel sind höchst mannigfaltig, was einerseits heterogen und dadurch im Gesamteindruck etwas unbefriedigend wirkt, andererseits aber unterschiedliche grafische Darstellungs- und Erzählmöglichkeiten sehr weit auslotet. Besonders spannend ist in dieser Hinsicht das 4. Kapitel über das Deutsche Requiem: Die Inhalte der von Brahms ausgewählten Bibeltexte werden als Geschichte in der Geschichte illustriert, wobei Landschaft und Wolken aus Notenlinien geformt werden und das gesamte Kapitel als zum Bild gewordene Musik von Panel zu Panel durchweben.
Brahms’ tiefe innere Zweifel am eigenen Schaffen werden unter anderem im 6. Kapitel eindrücklich bebildert. Buchstäblich überlebensgroß und wie in einem Alptraum trohnt da eine grün schimmernde Büste des sinfonischen Übervaters Beethoven. „Gäbe doch Gott, dass mir die Flügel tüchtig wachsen“, raunt Brahms am Klavier in die Sprechblase, doch für die Vögel, die den Giganten wie Flammen umschwirren, gilt: „Der Adler steigt einsam, doch das Volk der Krähen schart sich.“ Am Ende bleiben nur noch zerstobene Federn und Brahms verzweifelt: „Ich will nicht, ich soll, ich darf, ich kann nicht, aber ich muss!“ Erst auf der Doppelseite ganz am Ende hat Brahms die Schatten des Selbstzweifels überwunden – und schaut mit Demut auf snap­shotartige Szenen seines Lebens, welche die Totenmaske umkränzen. Ein Diptychon mit einigem Pathos und zugleich voller intimer Einfühlung.
Jörg Meyer