Simon Kannenberg

Joachim Raff und Hans von Bülow

Porträt einer Musikerfreundschaft. Briefedition, 2 Bde.

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Studio.Verlag im Verlag Königshausen & Neumann
erschienen in: das Orchester 07-08/2021 , Seite 64

Der aus der Schweiz stammende Komponist Joachim Raff teilt, was seine posthume Rezeption angeht, das Schicksal einer Vielzahl von Meistern: zu Lebzeiten erfolgreich, anerkannt und gefeiert, und nach dem Tod weitgehend in Vergessenheit geraten. Interessant ist bei solchen Persönlichkeiten oft die Tatsache, dass sie nicht etwa fernab des in die Musikgeschichtsschreibung eingegangenen Kulturlebens standen, sondern mit den bis heute anerkannten Größen der Musikgeschichte regen, oft freundschaftlichen Austausch pflegten und zu Lebzeiten diesen gegenüber als ebenbürtig galten.
Im Zuge der Arbeit an der Studie kristallisierte sich aus dem zunächst allgemein formulierten Forschungsthema „Joseph Joachim Raff. Leben und Werk“ als Schwerpunkt die Künstlerfreundschaft zwischen Raff und dem Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow, seinerseits ein Liszt-Schüler und in der Musikgeschichte ein unangefochtener Meister seiner Kunst, heraus. So zeigte sich, dass Raff „trotz seiner gegenwärtigen Vernachlässigung im Musikleben des 19. Jahrhunderts eine ungeheuer zentrale und vernetzte Musikerpersönlichkeit war“, so der Autor Simon Kannenberg, der in diesem Zusammenhang die Verbindung zu Bülow als besonders interessant ansieht.
Kannenberg beleuchtet mit seiner Dissertation die gemeinsamen Lebenswege der beiden Musiker und ihre biografischen und künstlerischen Schnittmengen. Eine tabellarische Gegenüberstellung gestattet dabei zu Beginn eine erste Orientierung. Im Weiteren folgen ausführ-
liche, auf Quellen gestützte Darstellungen. Neben einem detailreichen biografischen Kommentar werden als zentrale Aspekte in jeweils eigenen Kapiteln u.a. die Themen „gemeinsame Schüler“ sowie „Bülow als Raffs Interpret“ ausführlich behandelt.
Von besonderer Bedeutung ist die Briefausgabe, welche den zweiten Band der Publikation bildet: Viele musikhistorische und -ästhetische Sachverhalte der Romantik erscheinen so im Spiegel dieser Korrespondenz. Dass Kannenberg im Rahmen der Vorstellung der Editionsprinzipien eine fast zehn Seiten umfassende exemplarische Übersicht mit Schriftproben von Raff und Bülow mitliefert, bildet ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal und verdeutlicht zugleich die Gründlichkeit der Studie.
Jedem Brief folgt zudem ein Kommentar in Form eines Anmerkungsapparats, welcher wichtige Details ergänzend veranschaulicht. Zu erwähnen ist schließlich die ausgesprochene Nutzerfreundlichkeit. Neben den üblichen Nachschlagehilfen umfasst das Personen- und Werkregister zu jedem Eintrag eine kurze Beschreibung zu Leben und Wirken der genannten Person.
Alles in allem handelt es sich bei der vorliegenden Publikation um eine äußerst solide Studie, welche nicht nur höchsten Respekt verdient, sondern darüber hinaus in Aufbau und Gründlichkeit für vergleichbare Forschungsprojekte geradezu als Vorbild prädestiniert erscheint.
Bernd Wladika