Dieter David Scholz

Jacques Offenbach

Ein deutsches Missverständnis

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Königshausen & Neumann, Würzburg
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 65

„Offenbach macht glücklich“, so schließt Journalist und Publizist Dieter David Scholz sein Jacques Offenbach – Ein deutsches Missverständnis benanntes Sammelsurium rund um Offenbach, seine verkannten Werke und den zu Unrecht allgemein verwendeten Begriff der „Operette“. Dreh- und Angelpunkt des Buchs ist die pauschale Zuordnung von ­Offenbachs Werken als „Operetten“, was Scholz als Verkennung und ­Verharmlosung versteht. Die falsche Gattungszuordnung, also das bloße ­Kategoriendenken, ist das im Titel benannte „Missverständnis“ bzw. der „respektlose Umgang“ mit Offenbachs Werken. Über die Werke selbst wird dagegen nichts gesagt.
Das langatmige Buch, das vor allem aus nicht enden wollenden Zitaten, die aus in Fußnoten nachgewiesenen Fremdwerken stammen, besteht, zwischen denen kurze Kommentare in eigenen Worten angebracht werden, leidet darüber hinaus auch an immensen Lektoratsfehlern; hier hätte mehr Sorgfalt Not getan. In der chronologischen Abhandlung zur Offenbachliteratur von Friedrich Uhl bis zu Wikipedia geht es ausschließlich um die fehlerhafte Kategorienzuordnung, die der angegebenen Quelle schon die Untauglichkeit bzw. Minderwertigkeit bescheinigt und den Autor als unfähig enttarnt. Dies bringt Scholz zu dem Schluss, dass das deutsche Offenbach-Bild falsch sei, während er hingegen seit Jahren für die Richtigstellung dieses Bildes kämpft, aber missmutig schließt: „man kann reden und schreiben, was man will“, es ändert sich nichts.
Dazu kommen zwei Aufsätze von Fremdautoren, die im Inhaltsverzeichnis entweder gar nicht oder kaum ersichtlich benannt werden; sie stammen von Matthias Attig, der sich mit dem wortgeschichtlichen Exkurs zur „Offenbachiade“ befasst, und Peter Hawig, der für die Zusammenfassung des Buchs sorgt. Weitere Kapitel befassen sich mit dem falschen deutschen Offenbach-Bild, der Geschichte der Operette und Offenbach-Apologeten von Heinrich Heine bis Siegfried Kracauer sowie der Offenbach-Literatur, in der Scholz Bücher benennt, die das „wahre“ Offenbach-Bild belegen. Hier fragt man sich, was Wahrheit eigentlich ist und wie sie definiert werden kann!
Zusammenhanglos folgen Beschreibungen zu deutschen Offenbach-Gesellschaften, Kölns Historischem Archiv, der Offenbach-Rezeption im Zweiten Weltkrieg und der DDR, Offenbachs 200. Geburtstag und das scheinbare Dilemma der Offenbach-Edition. Das Kapitel zu Offenbach-Aufführungen im Spiegel heutiger Wahrnehmungen druckt Scholz’ Rezensionen von 1994 bis 2002 planlos ab. Abrundend finden sich das chronologische Verzeichnis der 102 Offenbach-Werke und Offenbach-Bibliografien. Ein schwer lesbares Werk, das keine neuen Erkenntnisse bringt.
Claudia Behn