Dorothea Redepenning (Hg.)

Ivan Turgenev und die europäische Musikkultur

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Universitätsverlag Winter
erschienen in: das Orchester 02/2021 , Seite 62

Denkt man an den Schriftsteller Iwan Sergejewitsch Turgenjew, denkt man zunächst an den Roman Väter und Söhne, an Das Adelsnest, oder vielleicht auch an die vielen Erzählungen wie Asja, Der Hund oder an die Frühlingsfluten, die er in den Jahren 1857 und 1883 geschrieben hat und die auch rasch veröffentlicht worden sind.
Während insbesondere die Literaturwissenschaft sich schon längst eingehend Turgenjews Schaffen gewidmet hat, sind nun im Sommer 2018 zu seinem 200. Geburtstag 14 Wissenschaftler aus fünf Ländern zusammengekommen, um zahlreiche und vielfältige Aspekte zu diskutieren und herauszuarbeiten, die ihn und sein Schaffen mit der Musik verbinden. Entstanden ist eine Sammlung von insgesamt 15 Beiträgen und Aufsätzen – wovon die Herausgeberin Dorothea Redepenning als Expertin für russisch-sowjetische Musik zwei Beiträge lieferte –, die nun in gebundener Form vorliegt.
Turgenjew nimmt, so Redepenning im Vorwort, „eine Sonderstellung ein, als er zwischen der russischen und westeuropäischen Kultur vermittelnd wirkte und im Kulturleben beider Sphären durch Künstlerfreundschaften und professionelle Korrespondenz mit seinen russischen und westeuropäischen Kolle-gen […] tief verankert war.“ Während andere wie Fjodor Dostojewskij oder Peter Tschaikowsky Westeuropa gelegentlich bereisten, integrierte sich Turgenjew in das westliche Kulturleben, zunächst in Baden-Baden, später auch in Paris. Vier Aspekte standen auf diesem Kongress im Fokus des Interesses: die Funktion von Musik in Turgenjews Schaffen, seine Beteiligung an musikästhetischen Diskursen, seine Kooperation mit Pauline Viardot als Komponistin und schließlich die musikalische Turgenjew-Rezeption, also die Verwendung seiner Werke als Vorlage zu Opernsujets, Liedern und Instrumentalwerken an Beispielen von Michail Ippolitow-Iwanow, Anton Arenskij oder Alexander Kastalskij.
In den einzelnen Aufsätzen – wie beispielsweise in dem von Horst-Jürgen Gerigk – kristallisiert sich heraus, dass für Turgenjew, der selbst Klavier spielte, allgemein die Musik „ein maßgebliches Element seines literarischen Menschenbildes“ war. Er war fasziniert von der Mezzosopranistin Pauline Viardot-Garcia und ihrem speziellen Ausdruck. Insbesondere zwei umfangreichere Beiträge von Beatrix Borchard („Pauline Viardot und Ivan Turgenev“) und von Nicholas G. Žekulin aus Calgary („Turgenev and Pauline Viardot’s ,Russian‘ Albums“), ein Mitherausgeber der neuen Turgenjew-Ausgabe, beleuchten diese jahrzehntelange „Experimentier- und Schaffensgemeinschaft“ eingehend. Er war 25 Jahre alt, als er sie zum ersten Mal in St. Petersburg hörte und sich in die grade 22-Jährige verliebt haben soll. Die Liebe zu dieser verheirateten Frau soll ihn „zum Sklaven einer launischen Diva“ gemacht haben.
Wegen der Einheitlichkeit wurden die russischen Worte und Namen wissenschaftlich bzw. englisch transliteriert, was zum Teil die Lesbarkeit erschwert.
Werner Bodendorff