Stodtmeier, Maria

Isang Yun

Inbetween North and South Korea. A film by Maria Stodtmeier

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Accentus Music ACC 20208
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 77

Mit seiner Musik wollte er die Teilung Nord- und Südkorea überwinden und geriet dabei selbst zwischen die politischen Fronten. Isang Yuns zweite Heimat wurde Deutschland, wo er Anschluss an die europäische Avantgarde fand. Ein spannender Film der Regisseurin Maria Stodtmeier, der beim Label Accentus Music erschienen ist, befasst sich mit einem heute vergessenen Komponisten, der vor zwanzig Jahren im Berliner Exil starb.
Geboren wurde Isang Yun 1917 in der Stadt Tongyeong, die heute zu Südkorea gehört. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte er mit, wie die bis dahin von Japan beherrschte koreanische Halbinsel unter den Siegermächten USA und Sowjetunion aufgeteilt wurde. Isang Yun wollte das
unterdrückte Musikerbe Koreas wiederbeleben und mit zeitgenössischen Tendenzen verbinden.
Mitte der 1950er Jahre reiste er nach Europa, wo er in Paris und dann in West-Berlin Komposition studierte. Bei den Darmstädter Ferienkursen lernte er unter anderem John Cage und Bruno Maderna kennen. Yun setzte sich sowohl mit Arnold Schönbergs Zwölftontechnik als auch mit der traditionellen Musiksprache Ostasiens auseinander. Werke wie Réak, das 1966 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt wurde, machten ihn weltbekannt. Zu seinen Mentoren gehörte der Komponist Boris Blacher, der selbst in China geboren worden war.
Das kommunistische Nordkorea lud Yun aus Propagandagründen ein, während er im Süden jahrzehntelang als angeblicher „roter“ Spion geschmäht wurde. Wie sein Biograf Walter-Wolfgang Sparrer erklärt, galt der Norden in Intellektuellenkreisen damals als das fortschrittlichere, aufgeklärtere Korea. Diese Verbindungen sollten Yun einige Jahre später zum Verhängnis werden.
1967 verschleppte der Staatssicherheitsdienst des südkoreanischen Militärdiktators Park Chung-hee den unbequemen Komponisten nach Seoul. Yun wurde als vermeintlicher Anführer eines Spionagerings in einem aufsehenerregenden Schauprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Wie seine Witwe Sooja Lee in dem Film berichtet, wurde er im Gefängnis brutal gefoltert. Prominente Künstler wie Igor Strawinsky, György Ligeti, Karlheinz Stockhausen und Herbert von Karajan forderten seine Freilassung.
Erst 1969 konnte Yun mit seiner Frau nach West-Berlin zurückkehren, wo beide die deutsche Staatsbürgerschaft annahmen. Nach Südkorea kehrte der Komponist nie wieder zurück. In Nordkorea durfte er dagegen in den 1980er Jahren ein eigenes Ensemble gründen, das seither seine Stücke aufführt. Wie im Norden gibt es inzwischen auch im Süden ein Isang Yun gewidmetes Festival und eine Gedenkstätte, in der sogar eine in Nordkorea gefertigte Bronzebüste des Komponisten ausgestellt ist – als Zugeständnis an seinen Wunsch nach Versöhnung.
Stodtmeier, die Nordkorea zuerst 2008 anlässlich eines Konzerts der New Yorker Philharmoniker besuchte, durfte mit ihrem Team in beiden Ländern drehen. Diese seltenen Aufnahmen machen den Film zu einem packenden Dokument.
Corina Kolbe