Walter-Wolfgang Sparrer
Isang Yun
Leben und Werk im Bild
Dieser opulente Band gehört schon jetzt zu den schönsten Büchern dieses Jahres. Er beginnt und endet mit jeweils einer sepiamystischen Zeichnung in koreanischem Stil: eine kleine Pagode in verwunschenen Bergen, eine Landschaft voller rätselhafter Tiere. Dazwischen blättert das Buch ein Leben und ein Werk zwischen Tradition und Moderne auf: das Isang Yuns.
Als „deutscher Komponist koreanischer Herkunft“ wird der 1917 im japanisch besetzten Korea Geborene meist in Lexika bezeichnet. Wieviel mehr hinter diesem Etikett steckt, zeigt der vom Vorsitzenden der Yun-Gesellschaft herausgege- bene Band auf. Sparrer erfuhr von Yun aus deutschen Zeitungen (die natürlich reproduziert sind), von Spionagevorwurf und Folter. „Er fing 1957 in Berlin von vorne an, wurde deutscher Staatsbürger, in seine Heimat führte kein Weg zurück“, so Sparrer.
Zwölfton-Technik (die er beim Schönberg-Schüler Josef Rufer studierte) und Traditionen Ostasiens mischen sich – in Yuns Werk sowie in dem ihm gewidmeten Buch, das dreisprachig ist. Kurze Texte informieren und verführen zum Weiterbeschäftigen. Notenbeispiele, auf großes Format gezogen (das die Buchausmaße bestimmte), dazu handschriftliche Erläuterungen des Komponisten faszinieren. Unbedingt muss hier der Gestalter Michael Pickardt genannt werden, der den Schauwert maßgeblich bestimmt hat.
Verblichene Fotos wechseln mit temperamentvoll-bunten Maskenspielen, Szenenbilder aus Yuns Musiktheaterwerken (etwa “Geisterliebe” mit Martha Mödl als Schamanin, uraufgeführt 1971, das Jahr, in dem er die deutsche Staatsangehörigkeit annahm) kommen mit knochentrockener Parteipropaganda (die Yun gegen Südkorea auszuspielen suchte) zusammen.
Schon das sorgfältige, deutsch-englisch-koreanische Inhaltsverzeichnis lässt den Lebensweg erahnen, der dann an einzelnen Facetten erläutert wird. Auch der Hinweis auf Luise Rinsers Gespräche mit dem Komponisten, erschienen als “Der verwundete Drache”, findet sich.
Das Buch ersetzt weder eine Biografie noch eine Werkgeschichte (die auch deshalb schwierig wäre, weil Yuns Nachlass verschlossen, die Archive ohne Erklärungsversuche seiner Kompositionen sind). Aber es verlockt, in dieses vielfältige Werk einzutauchen: Musiktheater, Monologe, Solokonzerte, Märchen, Parabeln, Kammermusik finden sich, immer im Spannungsfeld von Buddhismus, Taoismus und Kon- fuzianismus. „Seine Musik ist hochartifiziell, von ungewöhnlichem Schwierigkeitsgrad, bringt historisch Neues in die westliche Kammermusik“, beschreibt Sparrer, „sie braucht ein Verständnis der Grundlinien und übergeordneten Zusammenhänge.“
Entstanden aus einer Ausstellung zu Isang Yuns 100. Geburtstag, ist es ein schwergewichtiges, optisch sehr reizvolles Buch geworden. Es lässt sicher etliche Fragen offen, macht aber Lust, sich auf die Suche nach den Antworten zu machen.
Ute Grundmann