Kishino, Malika
Irisation
Laut Duden bedeutet das aus dem Griechischen stammende Wort irisieren: in Regenbogenfarben schillern. Irisation ist also ein Phänomen optischer Art eine Oberfläche erscheint bei veränderter Perspektive in anderen Farben. Das Andersfarbige, schillernd-vibrierend Optische, die Brechung des Lichts benutzt Malika Kishino für akustische Phänomene, in dem sie gleichsam ihre durchdachten und niedergeschriebenen Klangvorstellungen in den Farben des Regenbogens variierend in die Obhut des Publikums gibt.
Malika Kishino demonstriert an ihren fünf aufgenommenen Stücken, die für ganz unterschiedliche Besetzungen geschrieben wurden, wie sich einzelne Klangfarbenpartikel übereinander schieben oder wie kleine Strukturphrasierungen sich aus der jeweils vorherigen entwickeln und formieren. In Rayons Crépusculaires, entstanden in den Jahren 2007 bis 2008, dominiert eine Große Trommel über ein großes Ensemble in drei Gruppen und Achtkanal-Live-Elektronik (Klangregie: Max Bruckert). Die Musik lässt sich als Naturereignis deuten, das nicht nur die Farben des Regenbogens übermittelt, sondern verschiedene Phänomene wie Donner, Regen, Blitz aufgreift und wie ein Sound-Art-Hörspiel verarbeitet. Die durch das Ensemble Musikfabrik intonierten Klänge illustrieren ein optisches Rätsel: Die Sonne, die hinter Wolken verdeckt ist, sendet Strahlen aus, die fächerartig den Himmel aufhellen. Die daraus entstehenden Lichtverhältnisse variieren in unglaublich großer Bandbreite, die Kishino musikalisch mit den Mitteln der Tonzerlegung und -separierung darstellt.
Monochromer Garten II, 2011 komponiert und vom Parkhaus Trio (Ernesto Molinari, Bassklarinette; Marcus Weiss, Baritonsaxofon; Uwe Dierksen, Posaune) gespielt, wiederholt auf eine andere Weise das Naturmotiv aus Rayons Crépusculaires. Kishino bettet die Klänge des einfarbigen Gartens in einen viel größeren Zusammenhang ein, nämlich in den umfassenden Naturkosmos, der nicht nur Pflanzen, Tiere und Sound beinhaltet, sondern auch das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, zwischen monochromen und polychromen Farben. Kishino hielt ihre Klangvorstellungen in einem Foto fest, das eine nächtliche Winterlandschaft zeigt. Filigrane und robuste Fotosequenzen drücken sich in einem lautstärkemäßig differenzierten Impetus aus, der aus dem Verhalten der Natur musikalische Schlüsse zieht und sie in Klang umsetzt.
Der vom Deutschen Musikrat in der CD-Serie Edition zeitgenössische Musik veröffentlichte Tonträger enthält ferner die Stücke Sensitive Chaos, Prayer und Du firmament, die für unterschiedliche Besetzungen (Prayer etwa für gemischten Chor a cappella) geschrieben wurden. Dabei ist allen Kompositionen das Schillern in Regenbogenfarben eigen, womit Malika Kishino ein sehr eigenständiges, naturorientiertes und erinnerungswürdiges Kaleidoskop mit dezenten Ausschweifungen in Geräusch-
situationen gelungen ist.
Klaus Hübner