Spohr, Louis

Introduzione

zu einem Festspiel D-Dur, hg. von Wolfram Boder

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Merseburger, Kassel 2008
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 67

Das Datum des 18. Oktober 1813 gilt als Befreiung von der Unterdrückung Napoleons. Die Völkerschlacht bei Leipzig führte, so heißt es in heutigen Interpretationen, zu einem deutschen Wiedererwachen. Es wurde ein Verein gegründet, der alle Quellen und biografischen Berichte des kriegerischen Ereignisses sammelte. Ernst Moritz Arndt forderte 1814 in seiner Gedenkschrift an die Völkerschlacht „teutsche Nationalfeste“.
Eben in diesem Zusammenhang steht auch Louis Spohrs Kantate Das befreite Deutschland, die zum vorgesehenen Zeitpunkt – der Rückkehr des Kaisers nach Wien – nicht aufgeführt werden konnte. So wurde sie Gegenstand eines ersten Gedenktags an die Völkerschlacht, beim Frankenberger Musikfest im Oktober 1815.
Spohr zeigte sich zunächst skeptisch, die Komposition mit so einem schwierigen Thema zu übernehmen. Da sich aber Caroline Pichler, Wiener Lyrikerin und Veranstalterin wichtiger Salons, für den Text angeboten hatte, nahm Spohr an. Die Komposition überzeugte vor allem durch die „Schlachtkomposition“ mit Doppelchor und zwei Orchestern sowie durch die Ouvertüre. Letztere wurde im vierhändigen Klavierauszug separat herausgegeben. Sie beginnt in einer langsamen Moll-Einleitung mit expressiven Vorhalten und leitet nahtlos in das fließende Allegro-Thema mit starker Subdominantbetonung über. Nun ist sie in schönem, übersichtlichem Druck erschienen. Behutsam und deutlich als Ergänzung sichtbar sind die Korrekturen des Herausgebers.
Die nur äußerst kurze Introduzione in festlichem D-Dur mit scharf punktierten Werten im französischen Ouvertüren-Typus steht inhaltlich in einem interessanten Kontext zur vorigen Komposition. Sie war als Einleitung für eine Hymne 1831 als „Hessens Feiergesang am Feste der Einführung seiner Landes-Verfassung“ geschrieben worden. Die Hymne besaß Ähnlichkeiten mit Das befreite Deutschland, und das hatte seinen Grund in der Verfassung Hessens. Karl Marx bezeichnete sie als „das liberalste Grundgesetz […] in Europa“. Trotz der kurzen Dauer der Introduzione passiert einiges, so der Übergang ins klanglich Fließende im Verbund mit der Öffnung des Vorhangs, so der Wechsel vom beginnenden Allegro zum Andante, welches durch ein Crescendo in schneller Tonrepetition wirkungsvoll die Erwartung auf die folgende Hymne vorbereitet – die leider verloren gegangen ist.
Filme bedienen sich gerne Musiken, die etwas charakterisieren, wobei das oft dem Gutdünken des Filmteams überlassen bleibt. Insofern ist man dankbar für den Aufgriff von Kompositionen, die ausdrücklich im Zusammenhang mit historischen Ereignissen produziert wurden. Das ist auch Gegenstand der hier vorgestellten Stücke, wobei die Anlässe keineswegs deren kompositorische Qualität schmälern sollen, im Gegenteil. Eine Verwendung als Theater- oder Filmmusik dürfte interessant sein; oder aber, wie es der Herausgeber vorschlägt, für Aufführungen im Schultheaterbereich (sämtliche Stimmen vorhanden).
Steffen A. Schmidt