Pietro Antonio Locatelli

Introduttioni teatrali

Thüringer Bach Collegium, Ltg. Gernot Süssmuth

Rubrik: CDs
Verlag/Label: audite
erschienen in: das Orchester 10/2023 , Seite 71

Pietro Antonio Locatelli wurde 1685 in Bergamo geboren und war ein Zeitgenosse Johann Sebastian Bachs und Antonio Vivaldis. Das feinnervig und elektrisierend musizierende Thüringer Bach Collegium stellt hier einige seiner Concerti vor, die sich aufgrund ihrer konzertierenden Pracht auszeichnen. Oftmals werden mehrere im Charakter kontrastierende Motive nebeneinander gereiht. Dieses Additionsverfahren verdeutlicht das Thüringer Bach Collegium in ausgezeichneter Weise.
Die hier präsentierten Concerti der Sammlung op. 4 erschienen im Jahre 1735 in Amsterdam. Die bemerkenswerten Introduttioni teatrali schrieb Locatelli vermutlich für Theatereröffnungen. Sie sind dem „Amatore della musica“ Abraham Vermeeren gewidmet. Er schrieb selbst keine Opern, kannte sich aber in dramaturgischen Effekten offensichtlich gut aus, was diese Concerti allesamt beweisen. Alle sechs Introduktionen bewahren dabei das Schema einer traditionellen Opernsinfonia. Die beiden ersten Concerti des zweiten Teils lehnen sich an die Tradition der Concerti grossi an, was das Thüringer Bach Collegium gut verdeutlicht. Anklänge an Georg Friedrich Händel sind hier herauszuhören, denn Locatelli war wahrscheinlich in Rom Händels Schüler. Herausragend ist auf dieser klanglich transparenten CD das Concerto A imitazione de corni da caccia, wo die Jagdhörner höchst virtuos eingesetzt werden. Die Doppelgriffe der Violine heizen dabei die Stimmung erheblich an. Tanzartiger Schwung und Synkopen beherrschen das Werk. Es kommt zu harmonisch spannenden Fortschreitungen. Auch die Fuge besitzt bewegenden Zuschnitt. Chromatische Passagen korrespondieren bei allen Concerti mit vielfältigen harmonischen Einfällen, die sich gegenseitig ergänzen. Auch das Pianissimo ist für die damalige Zeit bemerkenswert. Das Wechselspiel zwischen hohen und tiefen Klangbereichen fällt besonders auf. Empfindsamkeit sowie Sturm und Drang führen immer wieder zu rasanten Steigerungen.
Diese aufgrund ihrer elektrisierenden Spontanität empfehlenswerte Einspielung verwirklicht die Konzerte Locatellis in kleiner Besetzung. Es kommt zu einem rasanten Wechselspiel von hochvirtuosen Solo- und Tutti-Passagen. Die exzellenten Musiker zeigen hier eine fast sportliche Präsenz. Auch die Einfühlsamkeit beim Zusammenspiel kommt beim Thüringer Bach Collegium nicht zu kurz. Neuartige Kompositionstechniken werden brillant präsentiert. Kühne Sprünge, Doppelgriffe und das Spiel in hohen Lagen feiern Triumphe. Gelegentlich könnte die Akustik auch noch direkter und unmittelbarer sein. Trotzdem ist hier eine sehr gute Aufnahme entstanden.
Alexander Walther