Stephanie Klauk (Hg.)
Instrumentalmusik neben Haydn und Mozart
Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft, Bd. 20
Unter dem Begriff der Wiener Klassik werden allgemein Haydn, Mozart und Beethoven subsumiert. Bedenkt man aber, dass es – insbesondere im Umfeld von Wien – noch zahlreiche andere Komponisten in dieser zeitlichen Epoche gab, so wird deutlich, dass der Terminus der Wiener Klassik weniger als Stil- oder Epochenbegriff, sondern vielmehr als eine Art Elitebegriff für die unbestritten herrlichen Schöpfungen dieser drei Meister zu verstehen ist. Leider führte diese etablierte Betrachtungsweise dazu, dass zahlreiche andere Komponisten so sehr in den Schatten dieses Trios gestellt wurden, dass sie heute – wenn überhaupt – eine musikgeschichtliche Randnotiz darstellen.
Dies betrifft insbesondere die unmittelbar der Schülerschaft des genannten Trios entsprungenen Meister: Wer kennt heute im größeren Stil Ignaz Pleyel, langjähriger Schüler Haydns, oder die Beethoven-Schüler Ferdinand Ries und Carl Czerny? Der Mozart-Schüler Johann Nepomuk Hummel dürfte aus dem Kreise der „Vergessenen“ noch zu den bekanntesten Persönlichkeiten gehören. Der gerne in diesem Zusammenhang bemühte Begriff des „Kleinmeisters“ erscheint hierbei oft als Verlegenheitslösung, wenn man bedenkt, dass diese vergessenen Komponisten künstlerisch interessante Beiträge auch zu den großen Gattungen wie der Sinfonie, des Instrumentalkonzerts oder der Messe geleistet haben.
Diese Thematik greift der vorliegende Sammelband auf, welcher auf einer 2016 stattgefundenen Tagung beruht. Mit dem Fokus auf der Instrumentalmusik neben Haydn und Mozart wird die mit dem Begriff der Wiener Klassik verbundene Einengung durchbrochen. So begegnet man neben dem erwähnten Ignaz Pleyel u.a. Namen wie Leopold Koželuh oder Luigi Boccherini. Gegliedert ist der Band in drei größere Abschnitte, die wichtige Aspekte der Rezeption behandeln: Analyse, Aufführungspraxis und Edition.
Neben analytischen Betrachtungen einzelner Werke werden in zwei Beiträgen die Möglichkeiten der Digitalisierung als Analyse-Instrument aufgezeigt, was auch über die konkreten Einzelfälle hinaus für die Forschung von Interesse ist. Ein weiterer Beitrag beleuchtet die Zusammenhänge von Concerto grosso und Sinfonia concertante – insbesondere unter dem Blickwinkel der Terminologie. Durch die Erörterung diverser Aspekte der damaligen Aufführungspraxis dürfte der Band auch für die heutige künstlerische Praxis durchaus von Interesse sein und wichtige Impulse geben.
Alles in allem zeigt der vorliegende Band, welche Potentiale die Beschäftigung mit bislang eher abseits der Musikgeschichtsschreibung stehenden Komponisten aus der Zeit der Wiener Klassik mit sich bringt. Dass sich die Forschung in der letzten Zeit dieser Thematik vermehrt zuwendet, ist ausdrücklich zu begrüßen: Ermöglicht dies nicht nur, manchen unterschätzten Meister zu entdecken, sondern zugleich die Musikgeschichte wesentlich engmaschiger und vielschichtiger zu erschließen. In diesem Zusammenhang leistet der Band einen wichtigen Beitrag.
Bernd Wladika