Koch, Klaus Georg
Innovation in Kulturorganisationen
Die Entfaltung des unternehmerischen Handelns und die Kunst des Überlebens
Wie entsteht Innovation in Kulturbetrieben? Wie kann es gelingen, unternehmerisches Denken in (ganz überwiegend) öffentlich geförderte Kulturbetriebe zu implementieren und diese dadurch im Wettbewerb um knappe Mittel und politische Unterstützung optimal zu positionieren? Wer gute Antworten auf diese herausfordernden Fragen weiß, der hätte in der Tat Großes geleistet.
Viele Theater und Orchester in Deutschland präsentieren sich heute anders als noch vor zehn oder 15 Jahren. Ist das schon Innovation? Oder: Der neue Intendant eines Stadttheaters entlässt im Rahmen eines Intendantenwechsels das gesamte künstlerische Personal und bringt zahlreiche neue Leute mit: Ist das innovativ, geschweige denn nachhaltig?
Klaus Georg Koch, zehn Jahre lang Musikredakteur der Berliner Zeitung, dann zeitweilig Geschäftsführer beim Musikland Niedersachsen, betrachtet im ersten Teil seines Buchs zunächst die Kulturorganisation als Unternehmung und schafft damit vielleicht ein wenig zu ausführlich die wissenschaftlich-theoretischen Grundlagen für die eingangs aufgeworfenen Fragen. Im zweiten Teil ebenfalls sehr theorielastig werden die Grundlagen, die Subjekte und das Wesen von Innovation betrachtet, um dann genauer auf Faktoren der Innovation in der Kulturwirtschaft, der Kunst und last but not least in der Kulturorganisation zu schauen.
Wer das durchgelesen hat, ist dann immerhin schon bis zu Seite 207 gelangt, hat also mehr als 50 Prozent des Buchs hinter sich gelassen. Wers eher theoretisch mag, hat damit schon einiges gelernt. Wers lieber pragmatisch mag, sollte die erste Buchhälfte nur diagonal überfliegen. Denn praxisnah wird es erst im zweiten Teil.
Drei Fallstudien überschreibt Koch seinen Praxisteil. Dazu hat er mit dem Leitungspersonal des Berliner Konzerthauses und der Berliner Philharmoniker 2006 und 2012, bei der Philharmonie Luxemburg 2009 und 2012 ausführliche Experteninterviews geführt. Die Entwicklungen über sechs bzw. drei Jahre zwischen den jeweiligen Interviews unterteilt Koch in die Dimensionen des Sozialen, des Marktes, des Finanziellen und der Kunst. Koch hat die Experteninterviews irgendwie in einen halbwegs passenden Rahmen gepresst, ohne dass es jedoch eine echte innere Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis gibt: Aufzählung statt Ableitung, möchte man meinen. Es ist dann doch ein wenig zu simpel, jede neue Programmidee eines Intendanten oder eine neue Marketingkampagne gleich als Innovation verkaufen zu wollen. Die Fallstudien sind eine durchaus lesenswerte Fundgrube vieler guter Ideen, mehr aber leider auch nicht.
Im vierten Teil schließlich werden aus den Fallbeispielen immerhin ein paar Tendenzen abgeleitet: Kulturorganisationen verstehen sich mehr als Dienstleister, setzen mehr auf das Erlebnis und betreiben verstärkt Vermittlung. Eine (zu) dünne Erkenntnis nach fast 400 Seiten.
Gerald Mertens