Schnebel, Dieter

Inno a Roma

Sechs Stücke für Klaviertrio mit Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 73

Es sei ihm ein Anliegen gewesen, so Dieter Schnebel im knappen Vorwort zur Partitur seiner etwa zehnminütigen zyklischen Komposition, eine Reihe von Stücken über die „Ewige Stadt“ zu schreiben, was „die schöne Lage zwischen den Sieben Hügeln, die Pracht ihrer Gebäude, die Großzügigkeit ihrer Plätze und Parks“ ebenso einschließe wie „ihre Schattenseiten“. Darüber hinaus verbergen sich in dieser im Dezember 2010 uraufgeführten „Hymne auf Rom“ jedoch auch viele autobiografische Erinnerungen intimster Art, die nicht zuletzt die Huldigung an langjährige – und inzwischen verstorbene – Freunde wie Aldo Clementi und dessen Ehefrau Birgit einschließen.
In den sechs kurzen Einzelstücken tritt, jeweils verknüpft mit unterschiedlichen musikalischen Charakteren, den Ausführenden und Hörern ein Sammelsurium an musikalischen Techniken entgegen, die sich wie verblichene Fragmente einer in die Jahre gekommenen Avantgarde ausnehmen. Aus diesen brechen die genannten Bezüge immer wieder hervor und umreißen so etwas wie eine persönliche Geschichte der Annäherung an die Stadt Rom: Der erste Satz etwa evoziert (von fern an die Glockenklänge aus dem letzten Akt von Puccinis Tosca erinnernd) mit seinen in jedem Instrument mit anderen proportionalen Teilungen beharrlich repetierten hohen Tönen den Klang hektischen Glockengebimmels, über dem sich eine Vokalise auf a erhebt, die erst am Ende in die Silben „Roma“ absinkt. Im zweiten Satz ist der Stimme ein Summen zugewiesen, während der Geiger zu „ziemlich langsam und still“ angeschlagenen Klavierakkorden und einzelnen Achtelnoten in den Streichern in rhythmisch gesprochener Diktion Reisestationen von Stockholm bis Catania auflistet. Im dritten Satz wiederum lässt Schnebel den Pianisten zu einem abschnittsweise im Tempo wechselnden Vortrag die Namen römischer Orte und Sehenswürdigkeiten murmeln, im vierten werden Splitter eines Trauermarschs zur zunächst „knarrenden“ Stimme intoniert. Im fünften Satz tauchen schließlich private Erinnerungen in Gestalt eines gebundenen Melodrams über instrumentalen Texturen auf, und am Ende erklingt die ausgiebig wiederholte Kantilene „Roma aeterna“ über arpeggierten Harmonien sämtlicher Instrumente, bevor sich über den Schlussakkorden noch einmal die Erinnerung an Freunde einstellt.
Die Problematik des Stücks resultiert daraus, dass die Kontextualisierung privater Erinnerungen im Umfeld banal erscheinender musikalischer Einfälle und theatralischen Einsatzes von Stimme und Sprache so manchen Augenblick unfreiwilliger Komik mit sich bringt, Schnebels Musik also ihr eher ernstes Anliegen verfehlt, weil sie durch die Wahl der kompositorischen Mittel ins Stolpern gerät. Vielleicht könnte man Inno a Roma am ehesten gerecht werden, wenn man dem Stück die Funktion einer Zugabe zubilligt, was auch dadurch begünstigt werden mag, dass die technischen Anforderungen für ein erfahrenes Kammermusikensemble nicht übermäßig hoch sind.
Stefan Drees