Antonín Dvořák
infonie Nr. 2 B-Dur op. 4/Das goldene Spinnrad op. 109
Staatsphilharmonie Nürnberg, Ltg. Marcus Bosch
Es ist vollbracht. Alle Sinfonien Antonín Dvořáks sind nun endlich eingespielt. Nach der stürmischen Ersten op. 3 (siehe das Orchester 1/2018, S. 70) folgte nach etwa sechsjähriger, intensiver Arbeit an seinen Sinfonien als letzte Einspielung sein op. 4, das am 13. Oktober 2017, wiederum in der Meistersingerhalle in Nürnberg, aufgenommen wurde. Und wie bei der Fünften rundet auch hier eine Sinfonische Dichtung die CD ab, und zwar das selten zu hörende Goldene Spinnrad.
Bei genauer Betrachtung hat die Zweite im Gegensatz zur Ersten ihre Ursprünglichkeit verloren, weil Dvořák diese einer gründlichen Revision unterzog und erst 1888 zur Uraufführung freigab. Stilistisch wäre sie demnach zwischen der Siebten und der Achten einzuordnen, was jedoch, ähnlich wie bei Bruckner, problematisch erscheint, da sie dennoch den Charme jugendlicher Frische versprüht und scheinbar noch einiges von der Suche nach der eigenen Identität als Komponist behalten durfte. Dies wird an den Vorbildern, an denen er sich orientierte und die ihn in seiner romantischen Tonsprache prägten, deutlich: unverkennbar Richard Wagner, Franz Liszt, aber auch Franz Schubert und Ludwig van Beethoven, wobei hier weniger dessen Struktur und Formgedanken eine Rolle spielen, sondern einzig die Stimmung.
Das wird gleich am atmosphärischen Beginn der B-Dur-Sinfonie deutlich, worin der Hörer mit einem Male in ein wohliges Licht tauchen darf. Bosch gelingt es hier bestens, wie übrigens auch in den anderen Sinfonien, die farbigen und farbgebenden Bläser deutlich in den Vordergrund zu rücken, diese wie ein Orgelregister klanglich in Balance zu bringen. Anders als ältere Aufnahmen – beispielsweise Kubelik mit den Berlinern –, in welchen eher der Streicherapparat im Vordergrund steht, was selbstverständlich auch der älteren Aufnahmetechnik der 1970er Jahre und der damaligen Bevorzugung des vollen Streicherklangs geschuldet ist. Der Wandel in der Verwendung der Bläser bei den Klassikern von den reinen Harmonie- und Stütztönen in der Instrumentalmusik haben bekanntermaßen erst die Romantiker mit Schubert, aber auch schon Beethoven in seiner Sinfonia pastorale, vollzogen, die insbesondere die Bläser für ihre Ästhetik des Klangs, also die Erzeugung assoziativer Stimmung und persönlicher Empfindungen, benötigt.
Auch Dvořák setzte die Bläser auf diese Weise ein, zunächst noch als Suchender – darum die Anklänge an Beethovens Sechste –, aber bereits mit folkloristischen Idiom, später dafür sehr aussagestark und subtil. Bosch und seine Nürnberger wissen darum und interpretieren die Sinfonien wie auch die Sinfonischen Dichtungen überaus facettenreich, womit das Spinnrad zu einem spannenden Hörvergnügen wird, mit bunter Farbpalette nuanciert spielender Bläser und einem von hervorragend agierenden Streichern gesponnenen, feinen Gewebe. Und so erscheint die Sinfonie in klarem Licht und transparentem Orchesterklang, auch wenn sich das „Poco adagio“ vielleicht etwas zu rasch gestaltet.
Werner Bodendorff