Werke von Victor Ewald, Joseph Horovitz, Jan Koetsier und anderen

In the Music Hall

Wien-Berlin Brass Quintett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Tudor
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 77

Schon wenn man die Besetzung liest, weiß man, dass man beim Kauf dieser CD eigentlich nichts falsch machen kann: Gábor Tarkövi und Guillaume Jehl an der Trompete, Thomas Jöbstl am Horn, Mark Gaal an der Posaune und nicht zuletzt Alexander von Puttkamer an der Tuba. Jeder Einzelne von ihnen gehört als aktives oder ehemaliges Mitglied der Berliner bzw. Wiener Philharmoniker zur Blechbläserelite. Doch auch im Ensemble präsentieren sie sich trotz aller Virtuosität als kammermusikalische Ein-heit. Es ist eine Freude, dem Quintett zuzuhören.
Neben einem Klassiker der Brass-Quintett-Literatur, dem Quintett No. 2 von Viktor Ewald, sind auf der CD eine Reihe von Werken zeitgenössischer Komponisten zu hören, die teilweise für das Ensemble geschrieben wurden. Auch wenn das klassische Blechbläserquintett quasi als Streichquartett des Brass-Bereichs gilt, so ist die Literatur für diese Besetzung fast immer mit einem Quäntchen Witz und Humor gespickt. Einige Ensembles, beispielsweise Canadian Brass, haben das Show-Element zum wesentlichen Faktor ihrer Literatur und ihrer Auftritte gemacht.
Umso mehr hat es Berechtigung, wenn ein Blechbläserquintett eine klassische, konzertante Herangehensweise in den Vordergrund stellt, so wie auf dieser CD geschehen. Viktor Ewald zum Beispiel ist es durchaus wert, als Komponist in Erinnerung gerufen zu werden. Seine Werke sind hervorragende und sehr musikalische Kompositionen mit einer guten Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor. Das Wien-Berlin Brass Quintett kann hier ganz besonders mit seiner klanglichen Geschlossenheit glänzen.
Bei der Komposition Die Bewässerung von Mitteleuropa von Werner Pirchner steht eher die Virtuosität der Instrumentalisten im Vordergrund. Auch wenn man angesichts der Hochwasserkatastrophen derzeit beim Titel negativere Assoziationen haben mag, so sind die kurzen Stücke doch eher als gewitzte Miniaturen zu werten. Auch die Funfare Wien-Berlin von Christian Mühlbacher ist, wie der Titel verrät, ein humoristisches Werk, eigens für das Ensemble geschrieben.
Joseph Horovitz ist mittlerweile 95 Jahre alt. Seine 1964 komponierte Music Hall Suite zählt bei vielen Blechbläserquintetten zum Standard-Repertoire, ist sie doch ein wunderbares Stück mit leicht jazzigen Teilen und virtuosen Passagen. Der Komponist Jan Koetsier gehört ebenfalls zu den vielgespielten Komponisten im Blechbläserbereich. Sein Kinderzirkus ist eine Sammlung kurzer Stücke mit unterschiedlichstem Charakter und natürlich viel Witz. Dass er im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen der Tonalität treu blieb, ist in jedem Fall legitim, schließlich sind einige dieser Stücke richtige Ohrwürmer.
Die CD ist also in jedem Fall zu empfehlen, auch wenn ich wieder einmal kritisieren muss, dass mit der klassischen Kunststoff-Verpackung eine nicht mehr zeitgemäße Form der Präsentation gewählt wurde. Die Mehrkosten für Verpa-ckungen ohne Plastikanteil sind marginal und optisch nicht minder ansprechend.
Ulrich Haider