Kálman Széchényi/ Roswitha Széchényi-Marko
In eine bessre Welt entrückt
Die Grafen Széchényi von Sárvár-Felsövidék und die Holde Kunst. 250 Jahre Musikgeschichte
Schon der Titel appelliert an den Experten: In eine bessre Welt entrückt zitiert eine Zeile aus Franz Schuberts Lied Du holde Kunst, die jedem Freund des Liedgesangs vertraut ist, denn sie ist eine von Herzen kommenden Hommage an die Musik. Der Text stammt von Franz von Schober, der heute nur noch wenigen vertraut sein dürfte. Seine tief empfundenen Worte, die der Komponist ebenso gefühlvoll wie genial zum Klingen brachte, haben auch ihm zur Unsterblichkeit verholfen, zumindest bei den Freunden des Liedgesangs.
Die Neuerscheinung gilt also nicht einem musikalischen Genre, sondern Persönlichkeiten, die es verdienen, aus der Versenkung geholt zu werden, denn wer kennt schon die Grafen Széchényi? Für die Anhänger von Kunstliedern stellt diese Familie eine Fundgrube dar. Das demonstriert Kálmán Széchényi, indem er die Historie aufblättert. Sie beginnt mit Mihály Széchényi (1530- 1580), der einst sehr tapfer gegen die Expansion des Osmanischen Reichs gekämpft hatte. Viel Namedropping folgt, und der Leser lernt sukzessive die Mitglieder und dazu das bemerkenswerte Niveau dieses „Clans“ kennen. Daneben wird er gründlich informiert über die immense Bedeutung und die hohe Beliebtheit, die der Musik im Ungarn des 18. Jahrhunderts zukam.
Wer mit den Musikrepräsentanten des Landes wenig vertraut ist, wird von den Autoren über sie informiert, denn Stellenwert und Beliebtheit der Musik wurden großgeschrieben in jenen Tagen. Ist die musikgeschichtliche Bedeutung der Familie Esterházy heute noch relativ gut bekannt, so sind die Angehörigen des Hauses Széchényi wohl eher wenigen Musikfreunden ein Begriff. Dieser Ignoranz könnte das Buch, für dessen Lektüre man entsprechend Zeit investieren sollte, ein Ende setzen.
Die Gründlichkeit der Darstellung entspricht der hohen Bedeutung der Musikgeschichte, zumal über die einst relevanten Personen viel Wissenswertes zu erfahren ist, wie zum Beispiel über die Pianistin Aloysia Széchényi oder den Komponisten und Dichter Lajos Széchényi, die gleich auf mehreren Gebieten erfolgreich wirkten. So wird man zum Beispiel bei Lajos über seine heute viel zu wenig bekannte Kirchen- und Kammermusik informiert.
Sehr willkommen sind dem Leser auch die im Sepiaton gehaltenen Portäts der erwähnten Persönlichkeiten, deren Namen bisher wohl nur relativ wenigen Experten vertraut waren. Jetzt werden sie in den Fokus gerückt als Mensch wie als Künstler, mit ihrer Biografie und ausgewählten Dokumenten.
Akribie und Sachverstand waren nötig, um das erforderliche Material zusammen zu getragen. Dies allein setzt schon große Kompetenz voraus, die sich auch in den Details der Lebensläufe spiegelt und gewissenhafte Forschungsarbeit erkennen lässt. Der Aufwand hat sich gelohnt, denn die Familie Széchény zählte nicht nur zu den bedeutendsten Adelsfamilien in Ungarn. Ihre Angehörigen waren gut vertreten in den kaiserlichen Familien von Österreich und Deutschland.
Heide Seele