Debussy, Claude

Images pour orchestre/ Jeux/Le plus que lente

San Francisco Symphony, Ltg. Michael Tilson Thomas

Rubrik: CDs
Verlag/Label: SFS Media 0069
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 74

Seit über 20 Jahren steht der 1944 geborene Michael Tilson Thomas an der Spitze der San Francisco Symphony. Vor allem mit seinen zyklischen Mahler-Einspielungen, aber auch mit Werken von Strawins-
ky, Bernstein oder Adams setzte er in dieser Zeit interpretatorische Maßstäbe.
Seine Fähigkeit, komplexe Partituren mit großer Umsicht, Präzision und Klangschönheit umzusetzen, kommt auch der jetzt erschienenen Einspielung der Images und anderer Orchesterwerke von Claude Debussy im orchestereigenen Label SFS Media zugute.
Dabei hört man die analytisch geschulte Herangehensweise des Auch-Komponisten deutlich heraus: Verglichen mit älteren Aufnahmen der Images, etwa von Abbado, Haitink oder Previn, geht es Michael Tilson Thomas nicht so sehr um den „gepflegten Klang-
rausch“, sondern um die Durchhörbarkeit und genaue rhythmische Darstellung auch des letzten von Debussy implementierten Details. Das mag an einigen Stellen zu Diskussionen im geschmacklichen Bereich führen, insgesamt aber bietet diese Neueinspielung von „Gigues“, „Ibéria“ und „Ronde de printemps“ einen Genuss unzähliger kompositorischer und besetzungstechnischer Feinheiten, die man in vielen Fällen so zum ersten Mal hört.
Im Fall der vielschichtigen Ton­dichtung Jeux von 1913 schreibt Thomas hier gewissermaßen auch noch ein Stück Orchestergeschichte fort, denn die Pariser Uraufführung des von Diagilew für die „Ballets Russes“ in Auftrag gegebenen Stücks dirigierte 1913 mit Pierre Monteux ein Musiker, der Jahrzehnte später (1935-1952) der fünfte Chefdirigent des 1911 gegründeten Sinfonieorchesters von San Francisco werden sollte.
In den beiden genannten Partituren sinfonischen Zuschnitts kann Thomas auf ein bestens disponiertes Orchester zählen, in dem vor allem die anspruchsvollen Bläserpartien (hervorzuheben das Englisch Horn und die Oboe d’amore in den Images und so mancher Einsatz der vier Hörner in beiden Werken) hervorragend dargeboten werden.
Es ist erstaunlich, wie oft der magisch-wehmütige Walzer La plus que lente in den verschiedensten Fassungen eingespielt wurde. Die Klavierversion hört man am häufigsten, nicht selten auch Bearbeitungen für diverse Soloinstrumente mit Klavier. Debussys eigene Orchestration, hier den Schluss der CD bildend, ist vor allem durch den Einsatz des Zymbals ein Klangerlebnis besonderer Art. Debussy hatte sich 1910 in Budapester Kaffeehäusern zu dieser für französischen Geschmack ungewöhnlichen Besetzung anregen lassen. Michael Tilson Thomas macht daraus keinen Virtuosenauftritt à la Kodály, sondern gliedert diese Klangfarbe diskret in das subtile Gesamtgeschehen ein.
Das dreisprachige Booklet bietet leider eine etwas holprige deutsche Übersetzung des englischen Originals (Jeux: „Es gibt einen spottenden Tanz für das zweite Mädchen in ihrer Eifersucht…“).
Rainer Klaas