Giacomo Puccini

Il Tabarro

MDR-Rundfunkchor Leipzig, Dresdner Philharmonie, Ltg. Marek Janowski

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Pentatone
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 74

Die Neuproduktion des Einakters Il Tabarro (der Mantel), dem ersten Teil von Giacomo Puccinis Opernzyklus Il Trittico, setzt die Reihe veristischer Operneinspielungen zum 150-jährigen Bestehen der Dresdner Philharmonie fort, die mit Mascagnis Cavalleria rusticana im gleichen Jahr (2020) begonnen hat.
Il Tabarro ist Puccinis vielleicht differenzierteste Partitur und verzichtet ganz unitalienisch oftmals auf stimmliches Pathos und setzt stattdessen auf impressionistischen Orchesterklang und fast filmmusikalisch atmosphärische Episoden, die nur durch einige leitmotivisch verwendete Tonfolgen formal verklammert werden – für Dirigent wie Orchester ein weit anspruchsvolleres Unterfangen, als es Mascagnis Komposition mit seiner unbekümmerten Mischung aus Folklorismus und an Verdi orientierter Tonsprache ist. Leider geht der einführende Essay von Stefan Georgi darauf nur wenig ein, betont zu sehr den oberflächlichen Plot von Liebe, Eifersucht und Mord. Die Zugehörigkeit von Puccinis Opern zum Verismo ist unter den Musikwissenschaftlern denn auch sehr umstritten.
Für den besonderen Stil von Il Tabarro sorgen eher die feinen kammermusikalischen Zwischentöne der ausgefeilten Orchestrierung Puccinis, die das Orchester der Dresdner Philharmonie unter Marek Janowski bravourös zum Klingen bringt. Auch die Gesangssolisten wissen bis in die kleineren Nebenrollen hinein zu überzeugen. Melody Moore als Georgetta setzt vor allem ihr lyrisches und klares Timbre gekonnt ein, dem Bariton Lester Lynch fällt wiederum die Rolle des betrogenen Ehemanns Michele zu. Auch die Besetzung des Tenors Brian Jagde als Liebhaber Luigi ist gut gewählt, da er das Klischee des italienischen Belcanto nicht ausreizt. Gerade die Duette Georgettas und Luigis gehören zu den Höhepunkten der Oper und der Einspielung, ebenso wie der Verzweiflungsmonolog Micheles kurz vor Schluss, in dem die dunkle baritonale Strahlkraft Lester Lynchs optimal zur Geltung kommt.
Die rumänische Mezzosopranistin Roxana Constantinescu gestaltet die eher unbedeutende Rolle des „Frettchens“ mit ihrer vor allem in der Tiefe überzeugenden charakteristischen Stimme und setzt ihr komisches Talent ein, wobei sie in der Höhe teilweise an ihre stimmlichen Grenzen kommt. Dass in der Produktion auf jedes kleine und scheinbar unbedeutende Detail Wert gelegt wurde, zeigt die Ausgestaltung gerade der für die Dramaturgie dieses Einakters typischen eingestreuten kleinen Szenen wie das kurze Geplänkel eines zufällig vorbei schlendernden Paares (Joanne Marie D’Mello und Yongkeun Kim).
Im Gegensatz zu Cavalleria rusticana liegt der Focus der Komposition weniger auf den Chorszenen. Dennoch lassen die hintergründigen Frauenchorpassagen immer wieder aufhorchen. Dem zwar immer präsenten, aber nie aufdringlichen oder zu vordergründig agierenden Orchester gebührt eine besondere Erwähnung.
Kay Westermann