Igor Strawinsky
The Soldier’s Tale
Roger Waters (Sprecher), Bridgehampton Chamber Music Festival Orchestra
Roger Waters, Mastermind der Popgruppe Pink Floyd, hat mit dieser Aufnahme erneut einen Ausflug in die Welt der sogenannten ernsten Musik unternommen, nachdem er bereits vor Jahren eine klassische Oper mit Achtungserfolg komponierte. Als Erzähler brilliert Waters hier vom ersten bis zum letzten Wort. Musiker des Bridgehampton Chamber Music Festival zaubern die Instrumentalstimmen sauber und ausdrucksvoll – kurz: eine sehr gelungene Einspielung, aufgenommen in der Bridgehampton Presbyterian Church.
Doch Waters wäre nicht Waters, wenn er sich mit einer sehr guten Einspielung und verblüffend intensiv gelesenen Texten zufrieden gäbe. Das Cover der CD zeigt ein junges Paar von hinten, allein im Kino sitzend, der junge Mann trägt eine Uniform. Die Leinwand zeigt den Titel der CD – doch links vorn öffnet sich klammheimlich eine Tür. Im orangefarbenen Licht der Gangbeleuchtung dahinter erscheint der Teufel im Jackett höchstpersönlich, erkennbar an den Hörnern. Die Silhouette des Teufels erinnert stark an den amerikanischen Präsidenten Trump, dessen Politik Waters in seiner künstlerischen Arbeit und in vielen politischen Statements stark und deftig kritisiert.
Roger Waters (Jahrgang 1943), dessen Vater und Großvater ihre Leben als Soldaten in den Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts verloren, thematisiert diese traumatischen Verlusterlebnisse immer wieder. Waters liest die Texte mit klarer Aussprache, zusätzlich sind sie im Booklet komplett abgedruckt, sodass nicht fließend Englisch verstehende Zuhörer sie zum besseren Verständnis mitlesen können. Der Soldat kommt mit nöligem südenglischen Akzent daher, ein bisschen naiv und jung. Der Teufel hat gehörig viel schmierigen Charme abbekommen und als Erzähler wirkt Waters wie ein sehr wacher, latent leicht amüsierter Chronist. Damit reiht sich Waters (der umtriebige und polarisierende Großmeister des Prog-Rock unter dem Label Pink Floyd, erfolgreich mit Soloproduktionen, immer noch international führend in den Popshows mit brillanter Showtechnik und zugleich Texter mit Sprachgefühl, Witz und teils anrührendem Gefühl, ausgestattet mit einem Händchen für volksliedhaft simple, fast zarte Melodien) in die Reihe der großen Namen wie Peter Ustinov ein, die L’histoire du soldat ebenfalls ihre Stimme liehen.
Den Musikern gelingt jeder Satz gut, ein jeder beherrscht sein Instrument. Die hochkarätige Besetzung (Stephen Williamson, Soloklarinettist des Chicago Symphony Orchestra; Fagottist Peter Kolkay, Trompeter David Krauss und Posaunist Demian Austin vom MET Orchestra; Geiger und Komponist Colin Jacobsen; Bassist Donald Palma und Schlagzeuger Ian David Rosenbaum) besteht aus profilierten Solisten. Da sitzt jeder Ton, da kann man es sich leisten, in die Musik hinein zu horchen und sie wirken zu lassen.
Diese fast anderthalbstündige Einspielung weist übrigens weder Längen noch musikalische Schwächen auf und lädt zum Durchhören ein.
Heike Eickhoff