Werke von Debussy, Janácek, Schulhoff und Szymanowski
Identity
Noé Inui (Violine), Mario Häring (Klavier)
Dem Kontinent der musikalischen Moderne nähern der Geiger Noé Inui und der Pianist Mario Häring sich auf dem Weg der Violinsonate. Sie verzichten dabei auf Erwartbares (wie z. B. auf Werke von Prokofjew oder Ravel), möchten eine ganz bestimmte Facette sichtbar machen: Wie Komponisten zwischen spätromantischer Tradition und Moderne nach genuinen Ausdruckspotenzialen suchten.
Die Leichtigkeit, mit der Inui die an technisch Vertracktem reichen Violinparts meistert, ist dabei nur die eine Seite dieser Aufnahme: Mindestens gleichwertig daneben steht die Kunst klar geschnittener, dabei sinnlicher und klanglich un-gemein differenzierter Konturierung, die Inuis Spiel ebenso wie das seines Partners Häring auszeichnet. Nicht zu vergessen ist dabei der Anteil von Inuis Instrument, einer von Tommaso Balestrieri 1764 in Mantua gebauten Geige, welcher der Interpret einen feinen und sehr präsenten, vor allem in der Tiefe herben, in der Höhe brillanten Klang zu entlocken weiß.
Welche Vielfalt besonders der gedeckten, verschleierten Klangfar-ben in Karol Szymanowskis sordinierter Nocturne aus op. 28! Gerade an diesem Stück mit seiner orientalisierenden Klanglichkeit erweist sich auch die unprätentiöse Stilsicherheit beider Musiker: Man trägt nicht zu dick auf, sondern formt stets schlank, durchsichtig und biegsam. Ein Zugriff, der wie geschaffen auch für die diskret-elegante Klang und Formkunst von Debussys g-Moll-Sonate ist. Die erklingt hier in ihrer geheimnisvollen Knappheit unvermindert frisch, zugleich lebhaft und verhangen, würdevoll und elastisch.
Wie formgewandt die beiden Musiker zu Werke gehen, zeigt auch die hier zu hörende Interpretation der Geigensonate von Erwin Schulhoff. Die erklingt in einer sehr lebendigen, differenzierten Darbietung, hätte aber durchaus etwas mehr Kanten, vielleicht sogar etwas mehr Ruppigkeit vertragen können. Im Vergleich scheint es, als stehe beiden Musikern ein spätromantisch-rhapsodischer Duktus näher, wie sie ihn in Szymanowskis d-Moll-Sonate op. 9 entfalten. Die mag dazu verführen, in großem Ausdruck zu schwelgen und die emotionale Seite dieser Musik kommt hier auch keinesfalls zu kurz , indes beherrschen die beiden Interpreten die Kunst, ausschlagende Gefühlskurven als Momente eines übergreifenden, nachgerade erzählerischen Verlaufs aufzufassen, welche diese Darbietung so packend macht.
Vielleicht kein Zufall, dass Inui und Häring sich auch für Leo Janáceks Sonate JW VII/7 entschieden haben. Die scheint zwischen romantischem Ausdrucksstreben und dem eigenartig knorrigen Moderne-Idiom Janáceks hin- und herzupendeln. Inui und Häring zeigen sich auch hier auf der Höhe ihrer Kunst: allzeit neugierig auf klangliche Nuancen, interpretatorisch hellwach und hochkultiviert.