Kasarova, Vesselina

“Ich singe mit Leib und Seele”

Über die Kunst, Sängerin zu sein. Gespräche mit Marianne Zelger-Vogt

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter/Henschel, Kassel/Leipzig 2012
erschienen in: das Orchester 09/2012 , Seite 67

Vor Kurzem äußerte ich mich an dieser Stelle (siehe das Orchester, Ausgabe 7-8/2012, S. 68) über das Sachbuch Traumberuf Opernsänger von Gerd Uecker. Auch die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova setzt den Begriff „Traumberuf“ in Anführungsstriche, wenn sie konstatiert: „Es braucht immer Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.“ In ihrem Fall war es ein Zürcher Opernintendant, der bei einer Erkundungsreise für Nachwuchssänger auf sie aufmerksam wurde. Es folgte ein Glücksstart, welcher der jungen Sängerin den Weg in ein Repertoire – Mozart und Rossini – ebnete, welches sie für sich als richtig erkannt hatte. In ihrer Heimat wäre Kasarova fraglos einseitig ins dramatische Fach gedrängt worden.
Vesselina Kasarovas Einstieg in Zürich verlief freilich nicht gleich mit einem steilen Crescendo. Sie musste lernen, sich zunächst mit kleinen Partien zu bescheiden, die ihr freilich Gelegenheit boten, neben großen Kolleginnen wie etwa Edita Gruberova (die übrigens in Wien ähnliche ernüchtert wurde) zu stehen und von diesen zu lernen. Dann freilich gab es neue Glücksfälle wie den schnellen Kontakt zu Nikolaus Harnoncourt; privat kamen eine bis heute harmonisch verlaufende Ehe und die Geburt eines Sohnes hinzu.
Das Buch über Vesselina Kasarova ist keine traditionelle Biografie, die es – bei limitiertem Umfang – als Appendix freilich auch gibt. Den Schwerpunkt bildet der lange erste Teil, welcher auf Gesprächen von Marianne Zelger-Vogt mit der Sängerin beruht. Die Autorin ist Opernkritikerin und leitete lange Jahre das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung. Bei diesen Dialogen wird Faktisches wie Studium, Engagements und die Vorbereitung auf eine Opernproduktion in angemessenem Umfang erörtert. Auch die Liedsängerin Vesselina Kasarova kommt zu Wort. Alle Gespräche laufen auf Grundsätzliches hinaus.
Das wird gleich beim ersten Kapitel klar: „Die Stimme finden“. Diese Überschrift kann für das Buch sogar als Pars pro Toto gelten. Denn sein künstlerisches Ich zu entdecken, natürlicherweise vorhandenen Karriere­ehrgeiz mit individuellen interpretatorischen Möglichkeiten abzustimmen, immer wieder zwischen Ja und Nein zu entscheiden, bedeutet einen ständigen Lernprozess. Nicht nur zum Gesang im engeren Sinne kommen von Vesselina Kasarova beherzigenswerte Worte. Die Künstlerin versteht sich als „singende Schauspielerin“, die (privat „harmonisch“) besonders von Rollen fasziniert ist, welche „völlig anders sind als ich“. Zu ihnen gehören beispielsweise Carmen, Venus und Dalila. Mit ihnen erweitert die Sängerin derzeit ihr Repertoire um Partien von dramatischer Prägung. Doch auch mit ihnen sind alle künstlerischen Möglichkeiten sicher noch nicht ausgeschritten. So darf man auf die kommenden Jahre gespannt sein.
Christoph Zimmermann