Lutz-Werner Hesse
Ich habe dich gewählt… Symphonische Dichtungen
Opernchor der Wuppertaler Bühnen, Amici del canto, Sinfonie- orchester Wuppertal, Ltg. Julia Jones/ Philharmonisches Orchester Bremerhaven, Ltg. Marc Niemann
Diese beiden Liveeinspielungen mit wenigen unterdrückten Hustern, viel dramaturgischer Spannung und den großartig aufgelegten Orchestern gefällt durch Qualität und Lebendigkeit. Zumal derzeit echte Konzerte in großer Besetzung kaum auf übliche Art möglich sind, suggerieren die hier vorliegenden Aufnahmen die lang vermisste Konzertatmosphäre.
Den Anfang macht der Zyklus Ich habe dich gewählt… nach Texten von Else Lasker-Schüler. Komponist Lutz-Werner Hesse verwebt Spätromantik mit gemäßigter Postmoderne und lässt so jeden Satz mit schier unerschöpflicher Dramatik ertönen. Dabei wird es musikalisch nie akademisch, denn Hesses Musik ist voller Kraft und Farbigkeit, für Bühne und Publikum konzipiert. Iris Marie Sojer (Mezzosopran) meistert ihre Partie grandios und wohl artikulierend. Als strahlende Solistin schwebt sie über dem Sinfonieorchester Wuppertal (Ltg. Julia Jones), dem Opernchor der Wuppertaler Bühnen und die verstärkenden Amici del canto.
Sprecher Thomas Braus deklamiert zu Beginn, a cappella mit dramatischen Pauken am Ende, ein Gedicht von Lasker-Schüler („Prolog“). Sanft kommt der zweite Satz („Das Lied meines Lebens“) daher, dann startet mit volltönendem, kurzen Fagottsolo der dritte Satz („Vollmond“), von Sojers Mezzosopran mit der vollen Süße der Spätromantik vorgetragen, assistiert von einer eleganten Oboe. Auch die Chöre dürfen wieder mit warmen Klang ihre Stimmen im nicht allzu polyfonen Satz ertönen lassen. Der vierte Satz („Ich liebe dich“) startet mit Sechzehntelketten, die nie ganz verschwinden. Blech und Orgel sorgen in den letzten Takten für recht aufgeregtes, aber positives Treiben.
Durch frisch klingende Bläserakkorde von allzu großer Süßlichkeit befreit, starten Mezzosopran und Chor nach spätromantischer Einleitung der Streicher in den sanft dahin fließenden Satz „Ich habe dich gewählt…“, dem ein „Tanzlied“ folgt. Hier spielt Hesse mit der Dramatik einer großen, sehr unterhaltsamen Filmmusik. Ein Englischhorn-Solo beginnt den siebten Satz („Gebet“), Mezzosopran und Chöre setzen die schlichte Melodik der Vertonung anschließend sehr gut um. Der „Epilog“ beendet mit großen Akkordblöcken und mächtiger Dynamik (und ruhigem, langen Mittelteil) den Zyklus.
Bunte Klangmalerei, weniger Süße und einige Ecken weist Infinite Landscape. Two orchestral pictures op. 44 auf. Live eingespielt vom Philharmonischen Orchester Bremerhaven (Ltg. Marc Niemann) bohrt sich vor allem der zweite, weitaus kürzere Satz (Vivace) mit galoppierender Rhythmik und hübschen melodischen Partikeln auf angenehme Art ins Ohr. Der längere erste Satz (Lento solenne, misterioso) spielt mit Klängen und melodiösen Einfällen, unterhält auf frische Art und zeigt, wie bunt die virtuose Klangpalette des Komponisten Hesse ist.
Heike Eickhoff