Giuseppe Verdi

I Lombardi alla prima crociata

Chor des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Stellario Fagone, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Ivan Repušić BR Klassik 900351 (2 CDs)

Rubrik: Bericht
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 70

Das Münchner Rundfunkorchester und die Cappella Aquileia Marcus Bosch sind im deutschen Sprachraum derzeit für frühe Opern Giuseppe Verdis führend. Bei den Opernfestspielen Heidenheim entstehen Einspielungen in szenischen Aufführungen, beim Münchner Rundfunkorchester in Sonntagskonzerten. Mit Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug, 1843 an der Mailänder Scala uraufgeführt und später für Paris zu Jérusalem umgearbeitet, folgte im April 2023 dem Auftritt im Münchner Prinzregententheater ein Gastspiel in Budapest. Der Feldzug nach Palästina, die Liebe der Christin Giselda zum Sohn des muslimischen Tyrannen von Antiochia sowie Schuld und Sühne des Vatermörders Pagano ergeben ein musikmächtiges Melodrama. Das berühmte Gebet O Signor dal tetto natio ist nur eine der vielen Chorszenen. Der Chor des Bayerischen Rundfunks meistert unter Stellario Fagone seine langen Szenen hervorragend, agiert immer im Ideal von Fülle und Akzentuierung. Die himmlischen Geister singen im Marsch-Stechschritt wie die Engel in Verdis zwei Jahre später entstandener Giovanna d’Arco, die Haremsfrauen zeigen Esprit.
Ivan Repušić übernimmt neben dem Chefdirigat des Münchner Rundfunkorchesters auch die Generalmusikdirektion an der Oper Leipzig. Beide Städte dürfen von Repušićs Energie, Eleganz und Eloquenz im italienischen Fach profitieren. Einen guten Eindruck seiner Qualitäten vermittelt diese Einspielung. Sie wirkt tänzerisch, filigran, federnd und transparent. Auch hier zeigt sich das Spezialisten-Niveau des Münchner Rundfunkorchesters mit italienischer Musik. Bedauerlich sind die Striche vor allem von Strophen-Wiederholungen.
Repušić setzt oft auf den Gestus einer genüsslich wie dramatisch akzentuierten Intimität. Er fordert Grandezza und instrumentales Licht, treibt das MRO mit Deutlichkeit in Kontraste und modelliert berückend schöne Stellen.
Von den vier Hauptpartien haben die beiden Tenöre die sichersten und stärksten Stimmen. Galeano Salas ist als Katholik Arvino auch in der alle Energien fordernden kurzen Arie von belkantesker Sicherheit. Piero Pretti als Oronte setzt ein elegisch bewegtes Gegengewicht. Eigentlich mit idealer Gesamtlinie singt Michele Pertusi den bereuenden Schurken Pagano, klingt hier in der Höhe allerdings etwas unkonturiert. Die Hauptfigur der Giselda durchmisst einen Kosmos von Gesangsextremen zwischen Fortissimo-Raketen und attackierenden Koloraturen. Nino Machaidze agiert mit meist warmem Ton, zeigt passende Schärfen bei dramatischen Zuspitzungen und Verletzlichkeit im Kraftaufwand.
Roland Dippel