Christiane Mühlegger-Henhapel/Ursula Renner (Hg.)

Hugo von Hofmannsthal/Alfred Roller/Richard Strauss: „Mit dir keine Oper zu lang …“

Briefwechsel

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Benevento, Elsbethen 2021
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 69

Die Freundschaft zwischen Richard Strauss und dem Dichter Hugo von Hofmannsthal hat die Literaturwissenschaft schon vor 70 Jahren in Form ihres umfangreichen Briefwechsels dokumentiert. Aber an der Entstehungsgeschichte ihrer gemeinsamen Opern hatte entscheidend noch eine dritte Künstlerpersönlichkeit ihren Teil, die glatt vergessen wurde: der österreichische Bühnenbildner Alfred Roller, Professor der Wiener Kunstgewerbeschule, Sezessionist und Ausstattungsleiter an der Wiener Hofoper.
Die nun erstmals vollumfänglich veröffentlichte Korrespondenz des Trios von 1904 bis 1942 – Briefe, Postkarten und Telegramme, darunter auch einige der Ehefrauen – offenbart wertvolle Details zu den gemeinsamen Arbeiten. In den rund 200 Dokumenten, die Christiane Mühlegger-Henhapel und Ursula Renner in ihrer verdienstvollen Arbeit zusammengetragen haben, spiegelt sich vor allem ein spannendes Stück deutsch-österreichischer Theatergeschichte.
Den Startschuss zu der legendären Zusammenarbeit des Dreier-Teams gab 1911 die Uraufführung des Rosenkavaliers, die Roller seitens des Komponisten die Würdigung eines „genialen Mitschöpfers“ eintrug. Neben Zeilen gegenseitiger Anerkennung in formvollendeter Höflichkeit finden sich auch kritische Einschätzungen unter den Schriftstücken. So bemängelt zum Beispiel Roller in einem Schreiben vom 7. September 1923 an Strauss ein „Besetzungsdurcheinander“, verwilderte Bühnendisziplin, Selbstherrlichkeit „singender Halbgötter“ und den „Terror des Orchesters“.
Auch über die lange schwelenden Spannungen zwischen Strauss und seinem Direktionskollegen Franz Schalk an der Wiener Oper, die dazu führten, dass der Kapellmeister Strauss schließlich kündigte, gibt es persönliche Bekenntnisse: „Müde des Kampfes mit Schalks boshafter Resistenz und der Impotenz der Tradition bin ich nun aus der Oper ausgeschieden“, leitet Strauss seinen Brief an Roller ein, um danach dem Freund noch einmal für die fruchtbare Zusammenarbeit zu danken: „Besonders die schönen, von den Wienern nicht erfassten ‚Ruinen von Athen‘ werden mich immer an Ihre kostbare Mitarbeit erinnern u. ein aufrichtiges Bedauern auslösen, daß so vieles anderes Schöne […] mit Ihrer anregenden Hilfe nicht neu geschaffen werden konnte.“
Und Hugo von Hofmannsthal? Er versucht Roller 1926 zu beschwichtigen, was Lothar Wallerstein, Oberspielleiter der Salzburger Festspielen, angeht. Der Mann habe „wenig künstlerische Kultur“, das mache das Arbeiten mit ihm schwieriger, aber würde er ihn ablehnen, folgert der Dichter, so gäbe er „wohl die einzige Chance aus der Hand […] für dort einen wirklichen Opernregisseur zu gewinnen“.
Zu einer unverzichtbaren Lektüre für Kenner und Opernlaien wird die prachtvoll gestaltete und mit schönen Illustrationen versehene Edition vor allem auch dank sehr übersichtlich gestalteter Kommentare, Hinweise und Fußnoten direkt unter den jeweiligen Briefen.
Kirsten Liese