Johann Sebastian Bach

Horn Concertos

Radek Baborák (Horn), Berliner Barock Solisten

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 72

Radek Baborák gehört zu den wichtigsten Hornisten unserer Zeit, das machen allein seine Soloposi­tionen in Spitzenorchestern deutlich: Tschechische Philharmonie, Münchner Philharmoniker, Bamberger Symphoniker, Berliner Philharmoniker. Die Orchesterzeit ist für den Mittvierziger aber schon lange vorbei, er widmet sich anderen Aufgaben, in erster Linie solchen, die er für sich aussucht: als Solist, Kammermusiker, Organisator, Dirigent. Wer so erhaben ist über das Material wie Baborák, gibt sich auch mit dem originalen Hornrepertoire nicht zufrieden, sondern sucht nach neuen musikalischen Herausforderungen. Die neue CD des Tschechen, aufgenommen mit den Berliner Barock Solisten, steht exemplarisch dafür.
Wie viele Kollegen leidet Baborák darunter, dass der große Johann Sebastian Bach dem Horn zwar einige schöne Sätze und Passagen zugeeignet hat, die in ihrem Umfang und der Bedeutung aber weit hinter Werken etwa für Holzbläser zurückstehen. Was natürlich daran liegt, dass zu Bachs Zeiten das Ventilhorn noch nicht erfunden war. Will man noch mehr Bach spielen, bleibt einem Hornisten also nichts anderes übrig, als fremdes Repertoire für sich nutzbar zu machen. Baborák tut das hier nicht zum ersten Mal, geht im Zusammenwirken mit den Berliner Barock Solisten jedoch mit besonderer musikwissenschaftlicher Expertise vor: Ausgehend von Bachs intensiver Bearbeitungspraxis und der Unsicherheit bei der originalen solistischen Besetzung des einen oder anderen Werks hat er drei Konzerte für sich eingerichtet.
So war das Cembalokonzert BWV 1053 Es-Dur ursprünglich womöglich ein Bratschenkonzert und das Konzert BWV 1055 in ­B-Dur ein Konzert für Viola d’Amore (in A-Dur). Für das ­ebenfalls nicht original erhaltene Konzert BWV 1059 d-Moll greift Baborák zwei Kantatensätze Bachs auf und setzt als Mittelsatz den berühmten langsamen Satz aus Marcellos Oboenkonzert ein. Der musikwissenschaftliche Hintergrund ist im Beiheft ausführlich erläutert, letztlich endscheidend ist aber die klingende Musik. Kann Radek Baborák so einfach Werke spielen, die für deutlich gelenkigere Instrumente als das Horn geschrieben wurden? Natürlich kann er das, und wenn nicht er, wer sonst. Dennoch können mehrere Sätze dieser CD nicht überzeugen, und zwar gerade, weil er sich bemüht, ganz „unhornistisch“ geschmeidig zu spielen. Da gibt es kein Blitzen und Schmettern – und die Naturverbundenheit des Klangs (zu Bachs Zeiten oft noch mit dem Jagdinstrument konnotiert) ist deutlich verringert. Einigermaßen glatt spielt Baborák die schnellen Sätze etwa des Es-Dur-Konzerts, am Ende ­jedoch immer noch deutlich lang­samer und weniger keck, als man es zum Beispiel in der Fassung für Oboe kennt. Die modern instrumentierten und natürlich vortrefflich informierten Berliner Barock Solisten setzen dagegen auch keinen rauen Kontrapunkt. In den lang­samen Sätzen freilich fließen ­wunderbar die Hornmelodien – es leuchtet ein beinahe romantischer Schmelz.
Johannes Killyen