Strauss, Richard / Franz Strauss

Horn Concertos

Samuel Seidenberg (Horn), hr-Sinfonieorchester, Ltg. Sebastian Weigle

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Pan Classics PC 10312
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 79

Wie in der Politik, so gibt es auch auf dem Tonträger-Markt Themen, zu denen im Grunde alles gesagt ist, aber noch nicht von allen. Auch die Hornkonzerte von Richard Strauss gehören dazu. Weil die Zahl der Solowerke für Horn und Orchester vergleichsweise gering ist (und nicht viele Künstler sich um Ausgrabungen kümmern), kommt an diesen beiden – zweifellos großartigen – Stücken kein Hornist vorbei. Das erste Konzert ist der Klassiker und wird in jedem Probespiel von Profiorchestern verlangt. Das zweite ist deutlich schwerer, ein virtuoser Reißer, aber dennoch in knapp fünfzig Aufnahmen sofort verfügbar.
Nun ist eine weitere hinzugekommen: Samuel Seidenberg, der Solohornist des hr-Sinfonieorchesters, hat die beiden Strauss-Konzerte eingespielt, dazu das erste Konzert von Franz Strauss, dem Vater Richards. Er war selbst Hornist und hat einige schöne Werke für sein Instrument geschrieben. Seidenberg, Jahrgang 1978, stammt aus Sachsen-Anhalt und hat schon in vielen großen Orchestern Solostellen bekleidet. Die vorliegende scheint seine erste CD zu sein.
Das erste, was an Seidenbergs Aufnahme auffällt, ist seine schier unglaubliche Durchschlagskraft. Sein Ton ist wie ein Strahl, wie man unter Blechbläsern sagt – ausgewogen, sich bei jedem Anstoß wie eine Blume öffnend, eine Wolke von Klang freisetzend. Irgendwie erwartet man diesen Charakter sehr schnell für alle Lagen, obwohl das faktisch unmöglich ist. Natürlich kann ein Solohornist in der Tiefe nicht die ausgeprägten Qualitäten haben wie etwa Sarah Willis (von den Berliner Philharmonikern). Und natürlich kann auch bei Samuel Seidenberg im Akutregister nicht jeder Ton so strahlen wie in der Mittellage.
Das alles stört nicht wirklich – verwirrend ist aber, dass Seidenberg kaum einmal ein zartes, feines, transparentes Piano hören lässt, wie es Richard Strauss immer wieder fordert. Zumindest in dieser Einspielung erscheint seine Klangvielfalt, je länger man zuhört, begrenzt. Das gewaltige, raumgreifende Forte verliert an Wirkung. Interessant ist, dass Seidenberg damit völlig anders spielt, als es der Dirigent der Aufnahme früher selbst getan hat: Sebastian Weigle, der das hr-Sinfonieorchester hier zu einer engagierten Leistung führt, war Solohornist der Staatskapelle Berlin (Ost), bevor er sich erfolgreich als Dirigent etablierte. Seine Art Horn zu spielen, stand in der Tradition eines Peter Damm oder auch der tschechischen Brüder Tylsar: gewaltig auftrumpfend, wenn es gefordert war, ansonsten aber ganz fein und lyrisch.
Samuel Seidenberg hingegen offenbart in seinem Spiel unbändige Kraft. Das ist beeindruckend, überzeugt aber nicht durchweg. Bei anderen, unbekannteren Werken würde möglicherweise der Repertoirewert viel gutmachen. Hier jedoch begibt sich Seidenberg in direkte Konkurrenz zu den ganz Großen der Horngeschichte. Die alle auch schon die Strauss-Konzerte aufgenommen haben.
Johannes Killyen