José Rolón

Hommage to José Rolón Piano Works & Piano Quartet

Claudia Corona (Klavier), Michael Dinnebier (Violine), Sylvie Altenburger (Viola), Walter-Michael Vollhardt (Violoncello)

Rubrik: CD
Verlag/Label: Tyxart
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 70

Vielleicht weniger als in der Oper oder der Orchestermusik konzentriert sich auch das Repertoire für Pianisten auf einen Kanon, wenn nicht von Stücken, so von Komponisten. Daher stößt eine Neuaufnahme von Klavierkompositionen eines hierzulande Unbekannten a priori auf Interesse. Claudia Corona legt eine Doppel-CD des mexikanischen Komponisten José Rolón (1876-1945) vor. Sie enthält vier Sammlungen von Klavierstücken, Einzelwerken sowie ein Klavierquartett, einschließlich eines knapp gehaltenen informativen Booklets.
Die in Deutschland lebende Pianistin legt ihren Schwerpunkt auf lateinamerikanische Musik, insbesondere aus ihrem Heimatland Mexiko. Von Rolón hat sie bereits das Klavierkonzert eingespielt. Corona spielt technisch und stilistisch sehr überzeugend, mit klarem Legato in lyrischen Passagen als auch mit kompaktem Zugriff. Ihre Rubati wirken organisch, schmälern zuweilen durch häufigen Gebrauch den tänzerischen Charakter mancher Stücke.
José Rolóns Biographie ist für lateinamerikanische Komponisten nicht untypisch: Ausgebildet zunächst in seinem Heimatland in Klavier, Orgel und Musiktheorie, setzte er sein Studium in Paris fort (1903-07), um nach der Rückkehr mit der Gründung eines Sinfonieorchesters und einer Musikschule das Musikleben in Mexiko mit aufzubauen. Aus dieser Zeit stammen die Cinq petits morceaux, die am Modell des lyrischen Klavierstücks anknüpfen: in typischer Dreiteiligkeit, zum Teil auf ältere Tanztypen bezugnehmend (Menuett und Mazurka) oder den zeittypischen „fin de siècle“-Duft von Salonpiècen atmend (Canzonetta). Die Cinco piezas para piano sind pianistisch und harmonisch anspruchsvoller. Die Berceuse aus dieser Sammlung nähert sich dem Charme Faurés, die Mazurka bewältigt Corona ebenso wie die schwer zu spielende Valse caprice souverän mit der nötigen Virtuosität.
Das viersätzige Klavierquartett (1912) bleibt dem Primat des Kantablen treu, allein der Schnellwalzer des dritten Satzes bietet etwas Abwechslung in einem insgesamt recht gleichförmigen Werk. Die Streichinstrumente sind zurückhaltend eingesetzt, zuweilen solistisch oder im Unisono. An diesem Werk wird deutlich, dass Rolón ein Klavierkomponist war und eher ein Meister der kleineren Form.
In seinen späteren Jahren ging Rolón nochmals nach Paris (1927-30), um u.a. bei Nadia Boulanger zu studieren. Sein Kompositionsstil änderte sich, seine 2. Klavieretüde (1935) ähnelt der Klangsprache des mittleren Bartók. In den Tres dancas indigenas mexicanas (1928) überwindet er die Ausrichtung auf die europäisch-romantische Tradition zugunsten scharfer Dissonanzen und percussiver Tongebung.
Einzelne dieser Stücke könnten in den Unterricht eingehen oder als Zugaben Zuspruch finden. Singulär spezifische Momente weisen Rolóns Stücke jedoch nicht auf, weder im Salonhaften noch im Folkloristischen. Dennoch könnten sie das Repertoire ein wenig erweitern.
Christian Kuntze-Krakau