Werke von Rossini, Martinu und Offenbach

Hommage à Rossini

Raphaela Gromes (Violoncello), Julian Riem (Klavier), WDR Funkhausorchester, Ltg. Enrico Delamboye

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 19075820822
erschienen in: das Orchester 04/2019 , Seite 70

2018 beging die Musikwelt den 150. Todestag von Gioacchino Rossini (1792-1868). Rechtzeitig zum Gedenktag im November erschien dieses Debütalbum der 1991 geborenen Münchner Cellistin Raphaela Gromes, die seit ihrer Kindheit ein großer Fan dieses Komponisten ist. Sie schlägt darin aber auch den Bogen zu gleich mehreren Jubiläen des Jahres 2019. Doch der Reihe nach.
Den Anfang, die Mitte und das Ende der neun Tracks bildet je eine Arie von Rossini, mehr oder weniger geschickt für Violoncello und Orchester bearbeitet von Gromes’ langjährigem Klavierpartner Julian Riem. Es sind: die Cavatine „Tu non sai qual colpo atroce“ aus der 1819 (also vor 200 Jahren) uraufgeführten Oper Bianca e Falliero, die Arie „Cuius animam“ aus dem Stabat mater und die Arie „Non più mesta“ aus der Oper La Cenerentola.
Dazwischen kommen zunächst drei von Riem für Cello und Klavier arrangierte „Alterssünden“, darunter die beliebte Tarantella La danza, später dann jene Variationen für Cello und Klavier über ein Thema von Rossini, in denen sich der vor 60 Jahren gestorbene Bohuslav Mar­tinů (1890-1959) 1942 im Exil in den USA ähnlich zurück in die tschechische Heimat sehnte wie die Israeliten aus Ägypten in Rossinis Oper Mosè in Egitto, aus der das bekannte Thema stammt, und Rossinis augenzwinkernde Variationen Une larme („Eine Träne“, laut Beiheft sein einziges Werk für diese Besetzung, es gibt aber noch ein kurzes Allegro agitato) sowie die Fantasie für Cello und Orchester Hommage à Rossini (1855) von dem vor 200 Jahren geborenen Jacques Offenbach (1819-1880). Dieses Werk, das hier erstmals eingespielt ist, spielt witzig und originell mit Versatzstücken des Italieners wie dem Kuhreigen aus Rossinis letzter Oper Guillaume Tell. Die Fantasie ließ Gromes eigens von dem Offenbach-Spezialisten Jean-Christophe Keck rekonstruieren, was zwei Jahre dauerte: Das Autograf war nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 verschollen (es tauchte erst kürzlich wieder auf, die Restaurierung wird aber noch Jahre dauern), es gab allerdings noch Orchesterstimmen bei drei verschiedenen Nachfahren-Zweigen der Familie Offenbach sowie genügend weitere Fragmente in Stockholm und Köln.
Wurde jemals auf dem Cello sprechender gesungen? Kein Wunder, denn die Cellistin wollte als Kind Sängerin werden, holte sich jetzt Rat von den Belcanto-Spezialistinnen Juliane Banse (Sopran) und Daphne Evangelatos (Mezzosopran), um derart sprachnah und vor allem sanft und herzergreifend klingen zu können.
Das WDR Funkhausorchester unter seinem neuen Ersten Gastdirigenten Enrico Delamboye und vor allem der Pianist Julian Riem könnten noch pointierter herüberkommen.
Ingo Hoddick