Werke von Bach, Geminiani, Vivaldi und anderen

Hommage à Heinrich Schiff

Heinrich Schiff, Cellist and Conductor

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neos
erschienen in: das Orchester 01/2018 , Seite 67

Ein Ausnahmemusiker! Im November 2016 wurde Heinrich Schiff 65 Jahre alt. Aus diesem Anlass stellte der Konzertdramaturg Dirk Nabering Aufnahmen aus dreißig Jahren zusammen, die das Wirken des bedeutenden Cellisten und Dirigenten dokumentieren. Eine gewaltige Menge Musik kam zusammen, genug, um 17 CDs zu füllen. Unversehens wurde die eindrucksvolle Hommage zum Vermächtnis: Am 23. Dezember 2016 starb Heinrich Schiff. Die vorliegende Kompilation gibt uns die Möglichkeit, Schiffs Singularität, die Breite seines Repertoires, die Vitalität seiner Interpretationen nochmals nachzuerleben.
Bezeichnenderweise gelang dem Zwanzigjährigen, der zuvor bei Tobias Kühne und André Navarra studiert hatte, der Sprung auf die große Bühne mit Musik des 20. Jahrhunderts: Beim Weltmusikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik 1972 sprang er für Mstislav Rostropowitsch als Solist in Lutoslawskis Cellokonzert ein. Als einziges Werk ist dieses Konzert im vorliegenden Konvolut zwei Mal zu hören: gespielt von Schiff unter Leitung des Komponisten (aufgenommen 1986) sowie mit Schiff am Dirigentenpult und dem Solisten Christian Poltéra in einer Aufnahme von 2004.
Doch Schiff hat sich nie auf Musik einer Epoche festlegen lassen. In den frühen 1980er Jahren zählte er zu den ersten Allroundern, die die heftig grassierenden Vorbehalte gegenüber der Alte-Musik-Bewegung in den Wind schlugen und Anregungen von Musikern wie Nikolaus Harnoncourt übernahmen. Für beide Repertoirebereiche – Avantgarde und Barockmusik – bietet die Schiff-Hommage Beispiele: Kammermusik und Konzerte von Schnittke und Zimmermann einerseits, Bachs Solosuiten und etwa die grandiose Aufnahme einer Geminiani-Sonate mit Ton Koopman am Cembalo und Jaap ter Linden am Continuo-Cello andererseits.
Zum Ausnahmemusiker Schiff gehörten indes noch weitere Facetten: etwa seine Liebe zur Kammermusik. Herrliche Aufnahmen von Beethoven-Sonaten und Brahms’schen Trios sind zu hören. Seine Musizierpartner sind Gerhard Oppitz, Ulf Hoelscher, Sabine Meyer, um nur einige wenige zu nennen. Und gewiss wäre die Hommage unvollständig ohne Schiffs Aufnahmen der Konzerte von Schumann, Dvorák, ohne die preisgekrönten Aufnahmen des Brahms-Doppelkonzerts (mit Frank Peter Zimmermann) und der Schostakowitsch-Konzerte.Seit 1985 nahm das Dirigieren immer mehr Raum in Schiffs Tätigkeit ein. Auch dies ist reichhaltig dokumentiert, u.a. mit Raritäten wie Rudi Stephans Musik für Orchester. Allerdings wird deutlich, dass nicht alle Klangkörper Schiffs zupackender Musizierhaltung in gleichem Maße folgen konnten oder wollten. Zum besonderen Hörereignis wird die CD-Box durch viele Erstveröffentlichungen. Konzertmitschnitte, die nie zuvor auf Tonträgern erschienen waren, geben manche Sternstunde wieder. Aus der Fülle wunderbarer Musik hier eine ganz unspektakuläre persönliche Empfehlung: Sechs deutsche Tanzweisen von Vinzenz Lachner, 1982 in Freiburg live gespielt. Schiff wird hier begleitet von Christian Zacharias.
Gerhard Anders