Stefan Heucke

Holzbläsersonaten op. 114

Daniela Koch (Flöte), Ramón Ortega Quero (Oboe), Simon Degenkolbe (Klarinette), Marceau Lefèvre (Fagott), Kimiko Imani (Klavier), GyuTae Ha (Klavier), Tobias Haunhorst (Klavier)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: gwk-records
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 75

Die vier Holzbläsersonaten des 1959 in Baden-Württemberg geborenen, jetzt in Nordrhein-Westfalen und Italien lebenden Komponisten Stefan Heucke sind das produktive Ergebnis des Pandemie-Jahres 2020. Dank eines Künstlerstipendiums des Landes Nordrhein-Westfalen konnte der Komponist seinen Plan, einen Zyklus von Holzbläser-Sonaten zu schreiben, verwirklichen.
Die Sonaten sind in ihrer Konzeption und Tonsprache traditionsgebunden. Sie halten nicht nur an der Tonalität fest, sie sind auch formal eng an überkommene Satzmuster gebunden. Die Flötensonate op. 114 Nr. 1 folgt der Dreisätzigkeit mit einem Allegretto grazioso in der Sonatenhauptsatzform, gefolgt von einem ausgedehnten Menuetto antico, das mit der Variationsform kombiniert wird. Der Schlusssatz ist ein flirrendes, einem Perpetuum Mobile ähnliches effektvolles Rondo. In der ebenso dreisätzigen Oboensonate op. 114 Nr. 2 sind die Satzcharaktere verändert, indem die Oboe mit einem Andante mit weitgeschwungenen, nachdenklich stimmenden Melodiebögen die Sonate eröffnet, während der zweite Satz Allegro agitato der ABA-Form eines Scherzos mit einer etwas süßlich-trivialen Melodik im B-Teil Genüge tut, bevor der dritte Satz im Largo anhebt und nach einigen Tempowechseln – darunter auch kontrastierende polyfone Abschnitte – dorthin zurückkehrt.
Viersätzig ist die Klarinettensonate op. 114 Nr. 3, mit einem rhythmisch profilierten Kopfsatz Allegro molto appassionato, der den Tonumfang der Klarinette bis ins höchste Register nutzt und mit einem vollgriffigen Klaviersatz den leidenschaftlichen Ausdruck unterstreicht. Der folgende langsame Satz intoniert überraschend die Liedmelodie O du stille Zeit von Cesar Bresgen und variiert diese einfallsreich. Während der Komposition erhielt Heucke in der Pandemiephase ein Video mit diesem Lied, das er dann ins Zentrum seiner Sonate stellte. Der dritte Satz Quasi un Minuetto bürstet den Tanztyp gegen den Strich. Der turbulente vierte Satz Presto possibile greift auf Vorheriges zurück und wird von Heucke als „Totentanz mit Tarantellacharakter“ bezeichnet. Die Fagottsonate op. 114 Nr. 4 ist wie auch die anderen Sonaten äußerst instrumentengerecht geschrieben und lässt den ambivalenten Charakter des Fagotts deutlich werden: die gewichtige Tiefe zu Beginn im Tempo moderato ma con maestositá, dann die scherzohaften Staccatopassagen, die auch den Mittelsatz Presto leggiero bestimmen, der zudem die tenorale Farbe auskostet. Der Finalsatz präsentiert effektvolle Trillerpartien, marschartige Rhythmik und eine kurze Fagottkadenz.
Die mit großer Spielfreude interpretierten Sonaten Heuckes sind eine hörerfreundliche, ideenreiche Musik, die ganz im Geiste des klassischen Divertimentos steht – dabei alles Avantgardistische vermeidend.
Heribert Haase