Haffner, Herbert
His Master’s Voice
Die Geschichte der Schallplatte
Vor dem Trichter eines Grammofons sitzt ein Foxterrier-Mischling und horcht hinein. 1895 verewigte der Liverpooler Maler Francis Barraud seinen dahingeschiedenen Hund Nipper und nannte das Bild His Masters Voice (Die Stimme seines Herrn). Der Titel wurde als Name einer Plattenfirma legendär, das Bild ziert bis heute so manche CD. His Masters Voice nannte der Freiburger Publizist Herbert Haffner auch sein Buch Die Geschichte der Schallplatte.
Schon 1860 ließ sich ein gewisser Édouard-Léon Scott de Martinville einen Phonautographen patentieren. Hier werden Töne über einen Schalltrichter eingefangen und auf eine frei schwingende Membran aus dünner Tierhaut übertragen und mit einer Wildschweinborste auf eine rußgeschwärzte und handgekurbelte Walze gekratzt. Es gelang Scott de Martinville allerdings nicht, seine Phonautogramme hörbar zu machen. Erst 2007 entdeckte man sie im Pariser Patentamt, scannte sie ein und tastete sie digital ab. 1877 sprach Thomas Alva Edison erste Worte in seinen Phonographen auf eine Walze. Ihm folgte Emil Berliner, der 1887 ein Grammophon-Schallplatten-System als Patent anmeldete. Schnell entwickelte sich die Technik weiter: Motor- statt Handantrieb, Kopien von einer Mutter-Platte. In den 1920er, 1930er Jahren beginnt man elektrisch aufzuzeichnen, experimentiert mit magnetischen Tonbandaufnahmen und körperlichem Klang (Stereofonie). Der Weg zu MCs und CDs nach dem Zweiten Weltkrieg ist schnell gegangen.
Parallel entwickelte sich die Schallplattenindustrie: Konkurrenzkämpfe, Firmengründungen und -pleiten, Streit um Rechte, Auswirkungen von Wirtschaftskrisen. In den 1920er Jahren muss sich die Plattenindustrie mit dem aufkommenden Rundfunk arrangieren. Haffner widmet der Instrumentalisierung der technischen Möglichkeiten zu Propagandazwecken während des Nationalsozialismus ein ganzes Kapitel.
Wie stark Kunst und Industrie oder Politik miteinander verzahnt sind, sollte man nicht unterschätzen. Dazu gehören visionäre Produzenten und Manager wie etwa Walter Legge, nicht zu vergessen so legendäre Protagonisten des Markts wie etwa der Dirigent Herbert von Karajan oder im Pop-Bereich zum Beispiel die Beatles. Seit mp3-Player, iPods und andere mobile Geräte den Markt überschwemmen, seit Musik jederzeit weltweit im Internet verfügbar ist, hat sich das Hörverhalten, haben sich Marketing- und Vertriebsstrategien verändert. Herbert Haffner betont die immens wichtige Funktion der oft kreativeren Repertoire-Politik der vielen kleineren Labels.
Ein i-Tüpfelchen dieser lehrreichen Darstellung der Geschichte der Schallplatte hätte eine CD als Beilage sein können, die Tonbeispiele von der Pionierzeit der Klangaufzeichnung bis heute bringt.
Elisabeth Richter