Joachim Müller-Jung (Hg.)

Hirnforschung 10

Musik und Geist. Die besten Beiträge aus F.A.Z. und Sonntagszeitung

Rubrik: CD
Verlag/Label: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 58

Seitdem bekannt ist, dass Musik zwar durch messbare Schallwellen ausgelöst, aber erst im Gehirn des Menschen zu Reizen, Empfindungen und Emotionsbewegungen umgesetzt wird, spielt die Hirnforschung in diesem Bereich eine große Rolle. Daher muss man der Frankfurter Allgemeinen Zeitung danken, dass sie ihre besten Printbeiträge zum Thema „Musik und Geist“ nun als Hörbuch mit 2 CDs herausgegeben hat.
Für praktisch tätige Musiker könnten jene Beiträge aus CD 1 (Musikpsychologie – Hören und Fühlen) interessant sein, die unmittelbar ihr Berufsfeld tangieren. So geht es im Beitrag „Was macht mit mir nur dieses D-Dur?“ um Obertonreihen und Stimmungssysteme, aber auch um ästhetische Probleme der Zwölftonmusik, etwa mit dem Ergebnis: „Grenzverletzungen sind nur dann spannend, wenn es Grenzen gibt“. Unter dem Thema „Schriller die Töne nie klingen“ wird ausführlich über Grundfragen der Musikalität gesprochen – aber auch über das Gegenteil, die Amusie, ein Fachbegriff, den schon Bach benutzte, als er wegen der zweiten Frau seines Fürsten, einer Amusa, von Köthen nach Leipzig floh. Und für Absoluthörer sollte der Beitrag „Der Fluch des Kammertons“ zur Pflicht werden, da hierin sehr schön Fluch und Segen dieser angeborenen Fähigkeit dargestellt werden.
Aus CD 2 (Musiktherapie – Lernen und Heilen) ragt zunächst Eckart Altenmüllers Einleitung „Musik ist das Brot des Geistes“ ­heraus. Der Autor macht hierin klar, dass sich das Gehirn durch Musizieren verändert, und weist zudem auf das bislang unterschätzte Feld der „Musikerdystonie“ hin, jene motorischen Bewegungsstörungen, die zur Aufgabe des Berufs führen können und so auch zu einem der Geburtsfelder der Musiktherapie wurden. In der Untersuchung „Stille Nacht? Von wegen!“ lernt man, dass sich Strategien der sprachlichen und musikalischen Verarbeitung durchaus ähneln. In weiteren Beiträgen werden auch praktische Fallbeispiele geschildert. So konnte ein Patient erfolgreich mit Singen gegen seine Parkinsonkrankheit angehen, ein anderer durch Schlagzeugspielen in einer Band seine Angststörungen beseitigen. Erkenntnisreich auch der Artikel „Man muss das Kind nur schaukeln“, zeigt er doch auf, dass durch schon im Babyalter durchgeführte Rhythmusübungen die Intelligenz des Kindes gesteigert werden kann.
Die beiden CDs bieten ein breites Spektrum an neuesten Wissenschaftserkenntnissen, haben aber letztlich einen methodischen Mangel. In den vorgelesenen Zeitungsartikeln geht es doch nur um ein zentrales Thema: die Musik. Diese kann man im Printmedium nicht darstellen. In der Audiofassung hingegen hat man es – bis auf ganz wenige Ausnahmen – versäumt, die vielen angesprochenen Musik- oder Trockenbeispiele akustisch einzublenden und damit das Verständnis für die meist sehr dicht vorgetragenen sprachlichen Erläuterungen ganz wesentlich zu erhöhen. Das wäre eine schöne Entschädigung für die manchmal anstrengend zu verfolgende Diktion gewesen. Schade um die vertane Chance!
Thomas Krämer

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support