Stephan Kanyar

Herz aus Gold – Das Fugger-Musical

Augsburger Philharmoniker, Ltg. Ivan Demidov

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Edition Befana
erschienen in: das Orchester 02/2020 , Seite 69

Die Vision von einem Musical für das Stadttheater oder die Freilichtbühne am Roten Tor geisterte seit 25 Jahren durch Augsburg. Doch es war ein weiter Weg von einem Philippine-Welser-Musical, so die Idee eines Musikers der Augsburger Philharmoniker, bis hin zum Herz aus Gold, dem Musical über den Finanzmogul Jakob Fugger und dessen Vermögensstrategien plus Privatangelegenheiten. Der in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle spielenden Sybilla jr. hatte der Augsburger Schriftsteller Peter Dempf bereits vor knapp 15 Jahren den Roman Das Amulett der Fuggerin gewidmet.
Aber es war der Komponist von Frankenstein (Ingolstadt), Lulu und Shylock! (Innsbruck), Die Erschaffung der Welt (Essen), Casanova (Dessau) und Einstein (Hof), der mit dem Autor Andreas Hilger unter Intendant André Bücker das Rennen machte. Mit 18000 begeisterten Zuschauern im Freilichtsommer 2018 fuhr Stephan Kanyar weitere sieben Vorstellungen vom Herz aus Gold sowie sechs Nominierungen und drei Preise beim Deutschen Musical Theater Preis 2018 ein. Der Studiengang Musical im Prinzregententheater nannte die Uraufführung, bei der auch gestandene Sängerdarsteller wie Alejandro Marco Burmester als Georg Fugger und Elke Kottmair als Barbara Fugger mitwirkten, ein „großes Klassentreffen der Theaterakademie München“.
In warmen Sommernächten und angesichts einer am Roten Tor immer besonders üppig ausfallenden Ausstattung sind Augen und Ohren dort regelmäßig geblendet. Ohne diese Überwältigung, auf die musikalisch-textlichen Reize konzentriert, bricht die Wirkung von Herz aus Gold auch deshalb in sich zusammen, weil die Musik ohne Szene im trocken-offenen Sound der CD einige Spannungsverluste erleiden muss.
Das Ensemble macht eine gute Figur als Jubel-Statisterie, die mit heutigen Sounds das Stadtbild von 1487 hymnisch bestaunt. Roberta Valentina als Mutter Sybilla, die sich dem reichen Jakob Fugger auf Dauer doch verweigert und deren schöne Tochter er sich stattdessen nimmt, muss sich mit der Entscheidung für den richtigen Weg plagen. Es zeugte im Uraufführungsjahr 2018 von dramaturgischem Mut, kurz nach dem umfänglich gefeierten Reformationsjubiläum 2017 schon wieder in die Jahre 1517/18 zurückzuschweifen, in denen Sybilla jr. (Katharina Wollmann) sich den Ideen Luthers öffnet und deshalb Jakob Fugger verlässt. Die Aura des superreichen Protagonisten Jakob, der im frühen 16. Jahrhundert zu den Finanzmogulen Europas gehörte, gleißt auf der CD bei Weitem nicht mit dem zu erwartenden Charisma. Chris Murray ist der geschmeidige und etwas glatte Souverän, der mit den Mächtigsten der Welt paktiert. Er singt schön, gut und richtig, aber Sinne und Nerven bleiben beim Hören kühl.
Imponierend ist, dass hier fast 40 Musiker der Augsburger Philharmoniker für Sounds und Atmospohäre sorgen. Ivan Demidov findet immer die genau richtigen Tempi, Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek und Carl Philipp Fromherz drillten die Chöre zu phonetischer Deutlichkeit.
Roland Dippel

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