Jules Massenet
Hérodiade
Etienne Dupuis, Clémentine Margaine, Nicole Car, Matthew Polenzani, Marko Mimica (Gesang), Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin, Ltg. Enrique Mazzola
Um das Fazit vorwegzunehmen: Hier haben wir es mit einer ausgemachten Rarität zu tun, für deren Veröffentlichung auf CD dem Label Naxos großer Dank auszusprechen ist. Die Anschaffung ist unbedingt empfehlenswert! Dieser Live-Aufnahme zugrunde liegen zwei konzertante Aufführungen der Deutschen Oper Berlin aus dem Jahre 2023.
Wer kennt sie nicht, Richard Strauss’ im Jahre 1905 uraufgeführte Oper Salome. Wenig bekannt ist, dass sich ungefähr ein Vierteljahrhundert zuvor bereits der französische Komponist Jules Massenet des Themas um den Tod von Johannes dem Täufer angenommen hatte. Massenet, der einem breiten Publikum in erster Linie durch seine Opern Werther und Manon bekannt sein dürfte, ist mit der früher entstandenen Oper Hérodiade ebenfalls ein großer Wurf gelungen. Die Handlung ist etwas anders geartet als bei Strauss. Hier ist Salomé eine durchaus edle Person, die sich auf der Suche nach ihrer Mutter Hérodiade befindet. Salomé liebt den Propheten Jean aufrichtig. Ihre Liebe wird von ihm erwidert. Lüstern zugetan ist ihr wie bei Strauss Herodes, der auf Jean eifersüchtig ist. Das Todesurteil über den Propheten fällt er, weil er nicht ertragen kann, dass Salomé einen anderen liebt. Nach Jeans Hinrichtung gibt diese sich freiwillig den Tod.
Massenet ist eine herrliche, opulente und schwelgerische Musik gelungen, die man nicht so schnell wieder vergisst. Bei diesem herrlichen Werk ist Dirigent Enrique Mazzola am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin ganz in seinem Element. Das französische Melos liegt ihm ausgezeichnet. Zusammen mit den trefflich disponierten Musiker:innen erzeugt er einen üppigen, geradlinigen, mal schlanken und mal ausladenden Orchesterklang von großer Eleganz, der sich zudem durch eine vorbildliche Transparenz auszeichnet.
Fantastisch sind die sängerischen Leistungen: Clémentine Margaine macht die Hérodiade mit kraftvollem, stark auftrumpfendem Mezzosopran zu einer Schwester von Wagners Ortrud. Als Salomé lässt Nicole Car einen gut gestützten, silbern schimmernden Sopran hören. Einen bestens italienisch fokussierten und in der Höhe recht tenoral anmutenden Bariton bringt Etienne Dupuis für den Hérode mit. Matthew Polenzani ist ein sehr hell intonierender Jean. Sonor und tiefgründig singt Marko Mimica den Phanuel. Mit gefällig fundiertem Sopran wertet Sua Jo die kleine Rolle des jungen Babyloniers auf. Dean Murphy ist ein markanter Vitellius. Ebenfalls nichts auszusetzen gibt es an den solide klingenden Kyle Miller (Hohepriester) und Thomas Cilluffo (Eine Stimme). Mächtig legt sich der von Jeremy Bines einstudierte Chor der Deutschen Oper Berlin ins Zeug.
Ludwig Steinbach