Josef Tal / Michail Gnesin

Hebräische Kammeropern

Ayaia Zimbler-Hertz (Mezzosopran), János Ocsovai (Tenor), Alejandro Lárraga Schleske (Bariton), Peter Prautsch (Sprecher), Yuka Beppu (Klavier), Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera, Ltg. Laurent Wagner

Rubrik: CD
Verlag/Label: Klanglogo/Rondeau
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 63

Die Aufführung der zwei „Hebräischen Kammeropern“ auf der Bühne im Park gehört zu den ambitioniertesten Projekten des Theaters Altenburg-Gera. Auch das Hören der Weltersteinspielung der Kammeroper Die Jugend Abrahams in der hebräischen Fassung von Mordechai Kritschevsky ist ein äußerst anspruchsvolles Unterfangen.
Den Plan zu dieser Oper trug Michail Gnesin (1883-1957) über Jahre in sich, den zur Aufführung gebrachten Teil begann er um 1922 in Palästina. Zurückgekehrt nach Russland wurde der Lehrer Aram Chatschaturjans und Schüler Rimski-Korsakows zum Opfer antisemitischer Hetzkampagnen unter Stalin. Eigentlich ist Die Jugend Abrahams das Fragment einer großen Oper über den hebräischen Stammvater Abraham.
Im ausgeführten ersten Teil hat Terach (Alejandro Lárraga Schleske) seinen Sohn in einer Höhle eingeschlossen, um ihn vor dem Kindermord Nimrods zu schützen. Endlich wagt der herangewachsene Abraham hinauszutreten und ist überwältigt von der Schönheit der Schöpfung Gottes. János Ocsovai behauptet sich mit seinem eigentlich lyrischen Tenor in den große Kraft, Nachdruck und beträchtliche Reserven für die Deklamation erfordernden Parts. Eine aufkommende Monotonie ließ sich beim Mitschnitt der Premiere am 10. November 2017 durch Deutschlandfunk Kultur kaum vermeiden. Man hört aus dem von Yuka Beppu mit intensiv bemühter Spannungsenergie angegangenen Klavierpart, dass ohne Orchester eine wesentliche Komponente des Werks fehlt. Gnesins Komposition auf das nach Legenden aus der Aggada von ihm selbst verfasste Textbuch ist der Versuch einer hebräischen Nationaloper. Der Klavierpart lässt darauf schließen, dass Gnesin eine stark von Klangfarben, weniger von Harmonien geprägte Orchestration beabsichtigte.
Josef Tal ist durch regelmäßige Aufführungen in den Musikzentren Deutschlands hierzulande bekannter als Gnesin. Die Kammeroper Saul in Ein Dor nach einem der wenigen alttestamentarischen Sujets mit magischen Momenten entstand Mitte der fünfziger Jahre in Israel. In prägnanter Kürze wird das Geschehen entrollt: König Saul (János Oscovai) erfährt von dem durch die Seherin von Ein Dor (Ayala Zimbler-Hertz) heraufbeschworenen Geist des Samuel (Alejandro Lárraga Schleske), dass er im Kampf gegen die Philister unterliegen und David ihm auf den hebräischen Thron nachfolgen werde.
In den freitonalen, meist deklamatorischen Gestaltungsmitteln scheinen bei Tal und Gnesin immer wieder Intonationen des Synagogengesangs auf. Die Mittel beider Werke ähneln sich durch ausgekargte und spröde Dramatik. Die Geraer Produktion kommt einer lange vernachlässigten Wiedergutmachung gleich: Die Jugend Abrahams erlebte dort in der Premiere am 10. November 2017 erst sechzig Jahre nach dem Tod des Komponisten Michail Gnesin ihre Uraufführung
Roland Dippel