Pécou, Thierry

Harpe de jade

pour harpe solo (2011)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 11/2012 , Seite 81

Das 2011 komponierte Harfensolostück Harpe de jade des französischen Komponisten Thierry Pécou (*1965) ist eine Art klingendes Reisetagebuch. Inspiriert von einer China-Reise versucht er, ein Stück altchinesischer Kultur aufleben zu lassen. Die Jade, in China seit etwa 8000 Jahren in Gebrauch und auch als “Stein des Himmels” verehrt, ist mehr als jeder andere Edelstein in der chinesischen Kultur verwurzelt. Sie war über Jahrtausende hinweg Symbolträger, Heilkräfte wurden und werden ihr zugeschrieben, ja, es gab einen regelrechten “Jadekult”, der sich in Philosophie, Religion, Literatur und Sprache äußerte. (Die Weisen verglichen ihre Tugend mit Jade).
Pécous Klangidee dieses Stücks geht auf ein traditionelles siebensaitiges Instrument zurück: die Guquin. Im Aussehen an das Griffbrett einer Gambe erinnernd, wird sie quer vor dem Spieler liegend, ähnlich wie die Zither, gezupft. Im alten China war sie bei Zusammenkünften der Gelehrten ein beliebtes Begleitinstrument.
Beim vorliegenden Werk handelt es sich aber keineswegs um ein Begleitstück. Durch das durchkomponierte lebendige Tempo und das dynamische Spektrum mit immer wiederkehrenden, durch Akzente unterstützten Crescendi zum Fortissimo wird schnell eine dramatisch-insistierende Erzählstruktur deutlich, unterstützt von bruchstückhaften Melodiebögen und vielgestaltigen rhythmischen Elementen. In seiner harmonischen Sprache lässt uns der Komponist durch eine pentatonische Einleitung sofort in die fernöstliche Klangkultur eintauchen, die dann aber bald in freie, etwas spröde Tonalität übergeht.
Interessant ist auf jeden Fall, dass der Interpret durch ganz konventionelle Notation schnell Zugang zu diesem Stück finden wird und ohne “Handbuch für Specialeffects” auskommt. Die eingesetzten gängigen spieltechnischen Besonderheiten wie Flageolet, Pedalglissando, près de la table, Glissando oder das Schlagen mit der Handfläche auf die Basssaiten werden dezent und wirkungsvoll platziert. Harpe de jade ist eine reizvolle Bereicherung des Harfenrepertoires und eine lohnenswerte Aufgabe für jeden fortgeschrittenen Spieler, der mit seiner Vorstellungskraft ein Klangbild mit fernöstlichem Kolorit lebendig werden lassen möchte.
Astrid von Brück