Frank, Ludwig

Harmonie der Speichen

Die Tour de Frank von Helsinki nach San Sebastian

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Eigenverlag, 2014
erschienen in: das Orchester 01/2017 , Seite 57

Der Autor dieses Buchs ist der bekannte und international gefragte Berliner Oboenbauer Ludwig Frank. Trotz seines erfüllten arbeitsreichen Lebens verspürte er im Jahr seines 50. Geburtstags das Bedürfnis, einmal etwas anderes zu tun. So machte er sich allein mit dem Fahrrad auf den Weg, nachdem er vergeblich Mitstreiter gesucht hatte.
Mit gerade einmal zwölf Kilo Gepäck in zwei Satteltaschen, einem nicht immer zuverlässigen Navigationsgerät, einem Handy und der nötigen finanziellen Ausstattung begann Frank im Sommer 2013 seine Reise. Ausgangspunkt war Helsinki, das er mit der Fähre von Rostock aus erreichte, und dann die baltischen Staaten: Estland – wo er in Tallinn den einzigen und letzten Kundenkontakt für die nächsten zwei Monate hatte –, Lettland und Litauen. Auf zuweilen wenig fahrradfreundlichen Sandwegen ging es immer entlang der Ostsee, zur Kurischen Nehrung, nach Königsberg und von dort weiter durch Polen und wieder zurück nach Deutschland.
Von vielen netten Begegnungen ist im Tagebuch die Rede, von Reflexionen über das eigene Leben, z.B. den Berufsanfang als Lehrling in Markneukirchen noch zu DDR-Zeiten: Es herrschte ein forscher Umgangston und man musste sich die Sympathien seines Lehrherrn erst „erkaufen“. Frank konnte dies durch das Beschaffen einer Schlagbohrmaschine!
Knappe Beschreibungen sind den kulturellen Besonderheiten gewidmet, für deren Besichtigung Frank sich trotz straffer Tagesetappen Zeit nahm. Ausgerechnet in Polen passierte das erste größere Missgeschick, der Diebstahl des Handys, auf dem sich unter anderem die Reisefotos befanden. Aber durch glückliche Umstände und aufmerksame Mitmenschen wurde der Fall aufgeklärt. Auch das später verlorene Portemonnaie mit allen wichtigen Karten erhielt Frank dank ehrlicher Finder zurück.
Somit überwogen die vielen positiven Erfahrungen, auch im weiteren Verlauf der Reise durch die Niederlande, Belgien und schließlich Frankreich. Anlass zur Klage bot allenfalls die Qualität mancher Unterkünfte. Die gestie-
genen Anforderungen in der hügeligeren Landschaft Frankreichs bewältigte Frank nahezu mühelos, da er sich in den Wochen davor eine gute Kondition verschafft hatte.
Schließlich hatte er nach acht Wochen 4675 Kilometer auf dem Tacho, als er in San Sebastian in Spanien die Tour beendete. Auf sein Fahrrad war Verlass, sein Gewicht hatte er trotz des guten Essens in Frankreich um einige Kilos reduziert und zum Schluss hatte er noch einen Leistenbruch gut überstanden.
Genervt fühlte er sich auf der Tour allerdings durch das, was ein Teil seines Lebens ist: die Musik. Die ständige Berieselung in Hotels und Restaurants vergällte ihm manch lauen Sommerabend mit Meerblick, aber nicht mehr hörbarem Meeresrauschen.
Die Harmonie der Speichen ist in lockerem, nicht ausuferndem Stil geschrieben und lässt den Leser an dieser Selbsterfahrung – die Grenze des Möglichen zu finden – und an den Erlebnissen des Autors auf angenehme Weise teilhaben.
Heribert Haase